„Die Vorstellungskraft ist wichtiger als Wissen“ sagte Albert Einstein. Doch stellt sich die Frage, wie können wir unsere Vorstellungskraft aktivieren und wieso soll eine entwickelte Vorstellung wichtiger sein als unser Wissen? In dem Artikel gebe ich darauf eine Antwort.
Wie können wir unsere Vorstellungskraft aktivieren? Sicher gibt es dafür verschiedene Ansätze. Eine Möglichkeit besteht darin, sich Bilder anzuschauen, die für uns irgendwie attraktiv sind. Die uns gefallen. Die einen Nerv in uns treffen. In denen etwas für uns Wesentliches angesprochen wird. (siehe auch: Werde, der Du werden kannst)
Betrachten wir ein konkretes Beispiel: einen Uhu
Was sehen wir, wenn wir den Uhu betrachten? Auffallend sind natürlich die Augen, der starre Blick, mit dem der Uhu seine Umgebung wahrnimmt. Und dabei kann der Uhu nicht nur bei Tage sehen, sondern auch in der Nacht. Er bringt Klarheit ins Dunkel. Außerdem fallen die Ohren auf, die wie Federbüschel an seinem Kopf sitzen. Ansonsten wirkt der Uhu ruhend, er macht eigentlich nichts, außer die Umgebung aufmerksam zu beobachten.
Da mag es verwundern, dass der Uhu ein sehr erfolgreicher Jäger ist. Doch er erkennt seine Beute, fixiert sie und jagt erst dann, wenn er sicher ist, dass er die Beute erlegen kann. Bei seiner Jagd hat der Uhu eine Erfolgsquote von über 80%. Das ist weit mehr als bei Bussarden, Adlern oder Falken, deren Jagdquote etwa bei 25% liegt.
Die Entwicklung eines inneren Bildes
So können wir das Bild des Uhus betrachten. Doch wir können noch weiter gehen. Wir Menschen habe die großartige Fähigkeit und können uns fragen: Was kann ich von dem Uhu lernen? Wie kann ich mein Verhalten nach dem Uhu ausrichten? Wie kann ich mit meinen eigenen Möglichkeiten eine Situation so genau beobachten? Wie kriege ich es hin, eine klare Vorstellung von dem Resultat zu entwickeln, bevor ich mit der Arbeit anfange?
Diese Fragen sind weiter aufzugreifen und zu Antworten zu bringen. Dabei entstehen immer detaillierte Fragen:
Wie kann ich eine Situation erfassen? Dafür brauche ich meine aktivierten Sinne. Doch wie aktiviere ich meine Sinne? Nun, dafür braucht es irgendwie ein Interesse an der Situation. Erst dann bin ich wirklich gewillt, mich mit der Situation auseinanderzusetzen.
Und wie gehe ich dabei ganz konkret vor? Indem ich Fragen stelle. Offene Fragen: Wann?, Wie?, Wo?, Was? So richte ich mein Interesse gezielt aus und entwickle mit den Antworten ein immer genaueres und umfassenderes Bild von der Situation. Als Resultat entsteht eine eigene Vorstellung, ein eigenes Bild, wie ich eine Situation wahrnehmen und gestalten kann. Es ist kein äußeres Bild, das ich mir irgendwo hinhängen kann. Es ist ein inneres Bild, das ich für mein Verhalten entwickle, indem ich mir den Uhu genau anschaue, mich mit dem Wesen des Uhus bewusst auseinandersetze.
Und dieses innere Bild konkretisiere ich immer weiter, bis es für mich passt. Bis alle Fragen beantwortet sind, bis auch die letzten Zweifel ausgeräumt sind. Bis das Bild wirklich klar ist. Und dabei richtet sich meine Wahrnehmung mehr und mehr nach dem inneren Bild aus. Es entsteht eine Art innerer Sinn, mit dem ich die Umgebung betrachte und nach dem ich die Situationen nach meinen Vorstellungen gestalte.
Der Prozess
Bei dem Vorgehen können wir uns von folgendem Prozess leiten lassen, den wir sowohl für uns alleine durchführen können sowie auch sehr gut im Miteinander:
- Zuerst ist die verbindende Eingangsfrage zu finden, für die alle Beteiligte eine Antwort entwickeln möchten.
- Dann schöpfen wir für die Frage eine Antwort. Dabei bringen sich die Beteiligten mit ihren eigenen Vorstellungen ein, die gemeinsam geprüft und angepasst werden,
- so dass ein Lösungsbild entsteht, das wir betrachten.
- Das Bild ist zu prüfen und neue Detailfragen, Unklares und Zweifel zu identifizieren.
- Ist das Bild gut, dann haben wir die Antwort, und der Prozess ist beendet.
- Andernfalls ist zu planen, welche der offenen Detailfragen in dem nächsten Zyklus aufgegriffen und zu einer Antwort gebracht wird. Dann geht es wieder weiter mit Punkt 2.
Der Kreisprozess wird solange durchlaufen, bis ein klares Bild entstanden ist, bis alle wesentlichen Fragen beantwortet sind, bis eine attraktive Vorstellung geschaffen ist, nach der wir unser Handeln ausrichten können. So entsteht eine Antwort auf die Eingangsfrage, die für die Situation eine neue Perspektive, eine neue Ordnung schafft.
Innere Bilder prägen unser Verhalten
Ist das innere Bild gut entwickelt, dann richten wir unser Verhalten ganz konkret nach dem Bild aus. Das Bild gibt die Richtung vor. Es wirkt wie ein Kompass, der uns auf hoher See den Weg zum Hafen zeigt. Und mit dem Intellekt und unserem Wissen sorgen dafür, dass das Schiff auf Kurs bleibt und sicher den Hafen erreicht. Dabei verhindert die Ausrichtung nach dem Bild, dass wir orientierungslos auf dem Meer herumirren und uns mit Gedanken quälen, wie wir denn den Hafen erreichen könnten.
Fazit
Wir werden zu freien, eigenständigen Menschen, wenn wir unser Sein nach einem passenden inneren Bild für das Wesentliche ausrichten. Wir programmieren uns in gewisser Hinsicht neu und unsere unbewussten Triebe und Affekte, unsere behindernden Ansichten und Meinungen, sowie all das Zufällige fällt immer mehr von uns ab. Stattdessen verkörpern wir mehr und mehr das, was für uns Wesentlich ist.