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Die fünf Fragen

Gute Gespräche strukturieren sich in fünf Fragen:

  1. Was ist das Motiv für das Gespräch?
  2. Wo drückt der Schuh?
  3. Wie lösen wir das Dilemma?
  4. Wie lässt sich die Idee verwirklichen?
  5. Wie setzen wir die Lösung praktisch um?

in denen eine Situation neu ausgerichtet wird.

1. Was ist das Motiv für das Gespräch?

Bei dem ersten Kontakt, zu Beginn eines guten Gesprächs, wird eine Beziehung geknüpft zwischen den Gesprächspartnern, die es ermöglicht, ein gemeinsames Motiv für das Gespräch zu ermitteln. Der Gesprächsführer streckt in übertragenem Sinn die Hand aus, stellt die eigenen Interessen zurück und geht direkt und unvoreingenommen auf die Gesprächspartner zu mit der Frage, wie sich die Ausgangssituation für jeden Einzelnen darstellt. Die Situation ist im Hinblick auf jeden Einzelnen unmittelbar, genau und spezifisch zu erfassen, um ein passendes, für alle Beteiligten relevantes Thema aufzuspüren. Dabei hüte man sich davor, von seinem eigenen Standpunkt ausgehend vorschnell eine künstliche Brücke zu dem Gegenüber zu bauen, die durchaus verlockend und stabil erscheinen mag, die jedoch leicht die Interessen der Beteiligten nicht gebührend berücksichtigt.

2. Wo drückt der Schuh?

Um die Frage zu einer guten Antwort zu bringen, ist die Ausgangssituation möglichst umfassend und realistisch zu betrachten. Dafür stellen wir mit einem unvoreingenommenen Interesse immer wieder Fragen, die uns neue, detailliertere Informationen liefern und mit denen wir aus verschiedenen Perspektiven auf die Situation schauen. Es ist wie das staunende Betrachten einer blühenden Obstwiese. Die Vielfalt der Blüten und Farben regt dazu an, die Situation immer genauer und umfassender wahrzunehmen.

Doch unser Denken bestimmt, was wir sehen. In guten Gesprächen ist es daher eine hohe Kunst, zu unterscheiden, ob ein Gedanke beim Betrachten der Ausgangssituation hilfreich ist, oder ob er unsere Wahrnehmung stört.

Um herauszufinden, ob ein Gedanke brauchbar oder hinderlich ist, werden Meinungen, Ansichten und Urteile kritisch hinterfragt und störende Annahmen oder ‚Nebenschauplätze‘ als unpassend entlarvt. Schicht für Schicht durchdringen wir unsere fixierten Ansichten und stoßen mehr und mehr zum Kernbedürfnis vor – zu dem, was in der Situation wirklich wichtig ist. Dabei verlieren unsere Annahmen mehr und mehr ihre dominante Kraft und treten langsam in den Hintergrund, wie das allmähliche Auflösen des Morgennebels. Das aufsteigende Sonnenlicht liegt anfangs nur schemenhaft hinter dem Nebel, aber schon bald werden die klaren Konturen der Sonne immer deutlicher. Stellen wir uns das aufsteigende Licht als den zentralen Bedarf vor, der immer konkreter wird, umso mehr die ‚Nebenschauplätze‘ aus dem Bild der Situation verschwinden.

3. Wie lösen wir das Dilemma?

Je konkreter der Bedarf auf den Punkt gebracht wird, desto eher öffnet sich der intuitive Raum, aus dem Impulse und Ideen kommen, die den Bedarf zu einer Lösung bringen. Meistens tauchen diese Ideen ganz beiläufig in unserem Bewusstsein auf, wenn wir innerlich etwas Abstand nehmen von der Ausgangssituation und unseren Durchsetzungswillen loslassen. Es ist ähnlich wie beim Joggen oder unter der Dusche, wenn wir mental zur Ruhe kommen und emotional entspannt sind.

So, wie zarte Pflänzchen, sind auch neue Ideen schutz- und pflegebedürftig. Wenn wir sie voreilig mit starken Vorurteilen belasten oder sie kritisch bewerten, ersticken sie schnell oder knicken ein. Bevor wir sie einem Härtetest oder einer Eignungsprüfung unterziehen, sollten wir ihnen zunächst Zeit geben, in unserer Fantasie eine eigene Substanz auszubilden.

So entsteht eine Grundlage für die zu treffende Entscheidung, einen bestimmten Gedanken tatsächlich aufzugreifen und zum Maßstab für die Lösung zu erheben. Dabei ist einerseits zu prüfen, ob der Gedanke den identifizierten Bedarf zu einer guten Lösung bringen kann und ob es realistisch ist, ihn umzusetzen. Weiter ist abzuwägen, ob der Gedanke für mich selbst so attraktiv ist, dass ich bereit bin, ihn aufzugreifen, umzusetzen, das Risiko zu tragen und den erforderlichen Aufwand auf mich zu nehmen. Dabei werden die aufkommende Zweifel hinterfragt und plausible, gut begründete Gegenannahmen herausgearbeitet, um sie möglichst zu entkräften.

Als Ergebnis entsteht ein gut begründetes Vertrauen in den Gedanken als Voraussetzung für den Entschluss, ihn zu einer Lösung zu bringen. Es tritt eine Ruhe ein, eine neu ausgerichtete Basis. Jeder hat den Mut und die Courage aufgebracht, sich festzulegen, Risiken einzugehen, Einschränkungen und Anpassungen der eigenen Position zu akzeptieren und sich für die Konsequenzen verantwortlich zu fühlen. Letztere lassen sich ja nur bedingt vorhersagen. Der gefasste Entschluss wirkt auf die Gesprächsrunde stärkend, aufrichtend, befreiend und verleiht den Beteiligten Würde.

4. Wie lässt sich die Idee verwirklichen?

Mit dem Entschluss ist die erkorene Idee oft noch abstrakt, unspezifisch oder sogar visionär. Um die Situation nach diesem Gedanken neu auszurichten, ist eine konkrete Lösung zu entwickeln, indem der Gedanke geklärt und präzisiert wird. Das Abstrakte wird zu etwas Machbarem heruntergebrochen. Aus der großen, freien Vision wird ein realistischer Lösungsansatz.

Dafür werden immer detaillierter Fragen gestellt: Wie lässt sich die Idee verwirklichen? Was ist zu berücksichtigen? Wo sind Risiken und Hindernisse? Wie kann ich sie in der Lösung berücksichtigen? Aus den Antworten entwickelt sich eine tragfähige Lösung. Schritt für Schritt entsteht eine immer spezifischere und konkretere Vorstellung von der Lösung, bis sie und schließlich als eine Fast-schon-Tatsache erscheint. Sie können sich den Vorgang in dieser Gesprächsphase vorstellen wie einen freistehenden, hohen Berg, an dessen Spitze der visionäre Gedanke steht, der immer weiter zur Basis hinunter konkretisiert wird.

Je nach Fall sind in manchen Ausgangssituationen äußere Rahmenbedingungen als gegeben hinzunehmen. Dann wäre eine Ausrichtung nach einem freien, visionären Gedanken und einer Transformation der gesamten Ausgangssituation fehl am Platz. Stattdessen kommt es darauf an, innerhalb der Gegebenheiten die Idee zu einem möglichst guten Ausdruck zu bringen.

Bei der Entwicklung der Lösung ist es sehr hilfreich, sich auszutauschen. Die noch gar nicht fertig ausgearbeitete Lösung Interessierten mitzuteilen und sie zusammen auf den Prüfstein zu stellen. Gemeinsam wird die Frage gestellt: Wie lässt sich die Lösung verbessern? Welche Fragen und Aspekte sind in der Lösung noch mit zu berücksichtigen? Die gewonnen Anregungen, Vorschläge oder Meinungen sind dann wieder in das entstehende Lösungsbild mit aufzunehmen.

5. Wie setzen wir die Lösung praktisch um?

Das entwickelte Lösungsbild zeigt bereits Ansätze für ein praktisches Neuausrichten der Ausgangssituation. Die Ansätze sind zu konkreten Zielen zu präzisieren. Dabei ist ein klares Zielbild zu entwickeln, ein Bild, wie die Situation sein wird, wenn das Ziel erreicht ist. Dieses Zielbild dient dazu, die neue Situation bereits jetzt als gegebene Realität anzunehmen und aktiviert den Willen, das Ziel zu erreichen – wie ein Bildhauer, der bereits eine klare Vorstellung von der entstehenden Skulptur hat, noch bevor er den Meißel ansetzt, um die Skulptur tatsächlich aus dem Gesteinsblock herauszuarbeiten.

Dann gilt es, die Route zum Ziel festzulegen. Dafür wird der Weg in realistische Etappen unterteilt. Vor Beginn jeder Etappe ist zu klären, wie das Teilziel konkret erreicht werden kann, um dann den Schritt sicher gehen zu können. Anschließend wird das Resultat überprüft, das Ziel für die nächste Etappe formuliert und dieses angesteuert. So gelangen wir Schritt für Schritt ans Ziel.

Dabei erfasst und von Schritt zu Schritt mehr Freude, denn wir erfahren, wie der Gedanke durch unser konkretes Wirken immer mehr Gestalt annimmt. Bestehende Grenzen werden ganz praktisch erweitert und Hindernisse real überwunden. Dabei erfordert es Mut, Kraft, Durchhaltevermögen und Einfallsreichtum, den Widerständen und Hindernissen konstruktiv zu begegnen und immer wieder einen guten Weg zu den einzelnen Etappenzielen zu finden.

Das Vorgehen erinnert an das Auslösen des Erzes aus dem Gestein: Das Erz wird erhitzt und fängt an zu leuchten; der reine, wahre Charakter des Erzes kommt mehr und mehr zum Vorschein, bis das Erz schmilzt und das Gestein als Schlacke abfällt. Analog zu diesem Bild konzentrieren wir uns auf unser Ziel als das, was wir wirklich wollen. Das Zielbild tritt immer klarer und deutlicher hervor. Dagegen treten Hindernisse aller Art gegenüber dem Ziel mehr und mehr in den Hintergrund, werden überwunden und beeinflussen uns nicht mehr.

Am Ziel

Wenn das Ziel erreicht ist, finden wir uns abschließend im Neuland wieder, denn die ursprüngliche Situation ist nicht mehr dieselbe – sie ist neu! Das anfängliche Bedürfnis ist erfüllt und wir sind glücklich und dankbar. Der Weg hat sich gelohnt, auch wenn der Gesprächsprozess anstrengend gewesen sein mag.

Die volle Akzeptanz des erzielten Resultats wird maßgeblich davon bestimmt, dass die gemeinsam erarbeitete Lösung und deren Umsetzung wirklich das gemeinsame Anliegen beantwortet. Nur dann ist für alle Beteiligten der Bedarf erfüllt und die neue Situation für alle wirklich gewinnbringend.