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Der gemeinsame Weg

Jeder Mensch geht seinen Weg. Dabei wird uns von der Wiege an mitgeteilt, was wir auf dem Weg zu berücksichtigen und zu beachten hätten. Und all die gut gemeinten Ratschläge, all das Wissen, das uns von den Eltern, im Kindergarten, in der Schule und Ausbildung, im Beruf, im Familien- und Freundeskreis und durch die verschiedenen Medien vermittelt wird, nehmen wir auf, damit es uns helfen möge, die unterschiedlichen Fragen, Aufgaben und Herausforderungen des Alltags zu meistern.

Doch oftmals machen wir uns so selbst zu Marionetten. Wir werden an Fäden geführt, die wir durch unser Wissen und unsere Erfahrungen in der Vergangenheit selbst gesponnen haben oder die wir bereitwillig von anderen übernehmen. Viele der Fäden haben sich durchaus bewährt und wir vertrauen ihnen, dass sie uns auch in der Gegenwart und Zukunft gut führen werden. Wir identifizieren uns mit den Fäden, wir pflegen sie und verteidigen sie vehement, sobald sie in Frage gestellt werden – selbst dann, wenn ein Faden in einer aktuellen Situation gar keine zuverlässige Hilfestellung mehr gibt. Die Fäden bilden in gewisser Weise unser Rückgrat, unser Ordnungssystem, unseren Maßstab, mit dem wir die Welt betrachten, der uns ausrichtet und mit dem wir erhobenen Hauptes unseren Weg gehen können.

Aber machen wir uns nichts vor. Wirklich eigenständig und frei ist das Leben als Marionette nicht. Und spätestens im Miteinander gibt es oftmals Schwierigkeiten, wenn die beteiligten Personen von verschiedenen Fäden geführt werden. Aber wie können wir stattdessen vorgehen? Wie können wir unseren eigenen Weg entdecken? Wie können wir auf dem Weg frei und aufrecht voranschreiten und dabei die gesetzten Ziele sicher und mit Freude erreichen? In einem gelingenden Miteinander und im Einklang mit den bestehenden Normen, geltenden Gesetzen und Vorschriften?

Die Guten Gesprächen beschreiben einen Veränderungsprozess, in dem wir im Miteinander für eine Fragestellung oder ein Thema eine gute Lösung finden können. Dafür wird gemeinsam eine Ausgangssituation betrachtet, der zentrale, verbindende Bedarf identifiziert, für diesen eine gute Lösung entwickelt und in die Realität gebracht.

Die wesentliche Voraussetzung für die Guten Gespräche ist die Bereitschaft, die konkreten Situationen des Alltags wirklich zu betrachten. Damit wir dabei unsere alten Vorstellungen, also unsere ‚Marionettenfäden‘ überwinden, braucht es eine führende Frage, mit der wir uns die Situation anschauen und die wir zu einer guten Antwort bringen wollen. Zum Beispiel können wir uns fragen: Wo drückt der Schuh? So entwickeln wir ein eigenes Interesse an der Situation. Wir sind aufgefordert, die Situation selbst zu erfassen, zu hinterfragen, zu ergründen und uns ein eigenes Bild zu machen. Wir orientieren uns ganz konkret an der Situation und geben uns nicht mit vorgefertigten Antworten zufrieden. Dabei bestehen die Marionettenfäden durchaus weiterhin. Doch wir lassen uns nicht wie selbstverständlich von ihnen führen. Wir hinterfragen sie, prüfen, ob und wie die Fäden in der konkreten Situation angebracht sind, wo sie anzupassen sind oder wo sie ganz zu verwerfen sind. Wir nehmen durch die Frage gewissermaßen eine höhere Perspektive ein, von der aus wir die Situation mit Distanz betrachten. Aus dieser Distanz können wir herausfinden, was unsere Situation kennzeichnet und von uns fordert. Wir erfassen im Miteinander, was die Situation ausmacht. Zusammen entwickeln wir eine eigenständige Antwort.

In den Guten Gespräche ist das Auffinden einer Lösung in fünf Phasen unterteilt, in denen jeweils eine führende Frage aufgegriffen und zu einer Antwort gebracht wird:

  1. Was ist das Motiv für das Gespräch?
  2. Wo drückt der Schuh?
  3. Wie lösen wir das Dilemma?
  4. Wie lässt sich die Idee verwirklichen?
  5. Wie setzen wir die Lösung praktisch um?

Dabei stellt jede der Fragen ganz spezifische, inhaltliche Anforderungen an die beteiligten Personen, um zu einer guten Antwort zu gelangen. Auf der Seite Die fünf Fragen finden Sie leitende Gedanken, die Ihnen eine übergeordnete Perspektive vermitteln, um die Fragen zu einer guten Antwort zu bringen.

So unterschiedlich die Fragen inhaltlich auch sein mögen und so unterschiedlich die Anforderungen an die beteiligten Personen sind, so gibt es doch ein einheitliches Vorgehen, um für die einzelnen Fragen zu einer eigenständigen, guten Antwort zu gelangen.

Werden die Fragen in einem Guten Gespräch zu dem gegebenen Thema alle zu einer guten Antwort gebracht, dann ist als Resultat die Ausgangssituation neu ausgerichtet und aufgewertet. Der identifizierte Mangel in der Situation ist zu einer Lösung gebracht. Für die Situation haben wir eine neue Ordnung geschaffen. Wir wurden selbst zu Schöpfern und Gestaltern der Situation. Gute Gespräche wirken belebend, befreiend und aufbauend für alle Teilnehmer, denn sie setzen die kreativen Kräfte in uns frei, stärken unsere Eigenständigkeit und lassen uns das alte, hinderliche Marionettenverhalten überwinden. Kurz gesagt: Gute Gespräche sind eine Freude für alle Beteiligte!

Und was gibt uns jetzt den Halt, die Orientierung und Zuversicht, ein Gutes Gespräch erfolgreich zu führen? In den Gesprächen werden verschiedene Fähigkeiten von den beteiligten Personen gefordert, etwa um einen Entschluss zu treffen, eine Situation zu erfassen oder etwas zu vermitteln. Diese Fähigkeiten werden in den Gesprächen gezielt eingebracht und dadurch gestärkt. Dabei ergänzen und unterstützen sich die beteiligten Personen. So wächst bei jedem der Beteiligten die Zuversicht und das Selbstvertrauen, Fragen aufzugreifen und selbst zu einer guten Antwort zu bringen. Es wächst die Fähigkeit, eigenständig zu denken, einen eigenen Weg zu finden und diesen erfolgreich zu beschreiten. Wir packen uns selbst am Schopf und ziehen und aus dem Sumpf – so wie seinerzeit der Baron von Münchhausen.

Um die Guten Gespräche selbst anzuwenden braucht es einmal die Entschlossenheit und die Neugier aber ganz entscheidend auch die Übung und Erfahrung, um ein Verständnis des Aufbaus und der Dynamik in den Gesprächen zu entwickeln. Dabei ist es zweckmäßig, im kleinen und bekannten Kreis anzufangen, etwa bei den familiären Gesprächen am Essenstisch. Wenn Sie eine gewisse Sicherheit erreicht haben in der Handhabung und sich eine erste Routine der neuen Denk- und Herangehensweise eingestellt hat, werden Sie von ganz allein Ihren Wirkungskreis erweitern und auch in Gesprächssituationen mit eher fremden Personen davon profitieren, dass Sie gelernt haben, gezielt vorzugehen, die Ruhe zu bewahren und eigenständig zu denken. Sie werden ihre geschulte Selbstwahrnehmung und Ihren persönlichen Ausdruck mehr und mehr dafür einsetzen können, in Gesprächen aktiv zu werden und die Situation jeweils aus einer übergeordneten Perspektive zu betrachten.