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Der Wettstreit der Wölfe

Gute und ja, nennen wir es mal normale Gespräche unterscheiden sich ganz wesentlich in der Einstellung der Gesprächspartner:

In normalen Gesprächen ist jeder bestrebt, seinen Standpunkt zu beziehen und seine Position möglichst überzeugend zu vertreten und durchzusetzen. Und das Gegenüber tickt genauso. Auch er bezieht seine Position, die er vertritt und durchsetzen möchte. Jeder stellt sich dabei die Frage: wie kann ich mein Anliegen so vermitteln, dass es von dem anderen akzeptiert wird? Dabei gehen beide Gesprächspartner durchaus geschickt vor. Etwa sind sie geschult in der Rhetorik, um ihr Anliegen in gewählten Worten und Sätzen möglichst überzeugend zu vertreten. Oder sie sind geschult in psychologischer Gesprächsführung und stellen sich die Frage: wie ist mein Gesprächspartner gestrickt? Wie habe ich meinen Standpunkt zu verpacken, damit er von dem Gegenüber mit möglichst wenig Widerstand akzeptiert wird? Die ganze Energie geht bei dieser Art des Gesprächs in die eigene Ansicht, die eigene Position. Wir sind getrieben von der Frage: „Wie kann ich meine Position durchzusetzen?“

In den Guten Gesprächen verfolgen wir einen anderen Ansatz. Hier ist die zentrale Frage: was verbindet mich und meinen Gesprächspartner in der konkreten Situation? Was ist in der Situation der gemeinsame Bedarf? Wo drückt der Schuh? Und ist dieser Bedarf klar auf den Punkt gebracht, dann geht es darum, ihn im Miteinander zu einer guten Lösung zu bringen. Dabei können wir unsere eigenen Vorstellungen und Positionen durchaus mit eingebringen. Doch wir bestehen nicht auf ihnen, sondern wir betrachten sie nur als Möglichkeiten, die gemeinsam geprüft werden, ob und wie sie sich in der Lösung angemessen berücksichtigen lassen. Das Gespräch ist getrieben von der Frage: „Was kann ich dazu beitragen, um im Miteinander eine möglichst gute Lösung für die Situation zu finden?“

Beide Wege der Gesprächsführung können wir bestreiten. Und es gibt Situationen, da ist die „normale“ Gesprächsführung angebracht, zum Beispiel wenn eine klare Ansage erwartet wird. In anderen Fällen sind die „Guten Gespräche“ das geeignete Mittel, wenn es etwa darum geht, eine gemeinsame Lösung zu finden. Letztlich hat es jeder selbst in der Hand, zu entscheiden, welche Art des Gesprächs er in einer konkreten Situation führen möchte.

Die Situation erinnert an die Geschichte mit den beiden Wölfen:

Ein Jüngling kommt zu einem weisen, alten Schamanen und fragt diesen: „Sag mal, kannst Du mir sagen, was in uns Menschen, in unserem Inneren, in unserer Seele vor sich geht?“ „Mein Sohn, das ist so: jeder Mensch trägt zwei Wölfe in sich. Einer verkörpert das Gute, die Liebe, die Freude, die Güte, das Mitgefühl, die Hilfsbereitschaft, das Verzeihen. Der andere verkörpert alles Schlechte und Üble in uns, den Neid, den Hass, die Gier, den Zorn, die Rücksichtslosigkeit. Diese beiden Wölfe in uns bekämpfen einander fortwährend.“ Darauf der Jüngling: „Schön und gut, aber wer gewinnt denn von beiden?“ „Es gewinnt der Wolf, den du fütterst!“