Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. So sagt es schon das bekannte Sprichwort. Bilder vermitteln etwas jenseits der Worte, jenseits des Verstandes. Sie machen uns etwas bewusst, erzeugen eine Vorstellung, die in uns ein Gefühl auslöst nachdem wir unseren Willen und unser Handeln ausrichten können.
Soweit die Theorie. Doch wie können wir ein Bild entwickeln? Der direkteste Weg ist natürlich das Schauen. Das genaue Schauen, bei dem wir immer mehr Einzelheiten wahrnehmen, die sich in ein konkretes und klares Vorstellungsbild fügen. Doch das genaue Schauen ist durchaus ein mühsamer und langwieriger Prozess. Einfacher ist es, wenn wir unser wahrgenommenes Bild mit äußeren Informationen anreichern, so dass es immer vollständiger und umfassender wird.
So können wir uns zum Beispiel einen Zugang zu Pflanzen verschaffen. Dabei haben Pflanzennamen häufig eine interessante Geschichte. Denn in verschiedenen Regionen haben sich oft unterschiedliche Bezeichnungen für ein und dieselbe Pflanze herausgebildet. Dabei waren die Bezeichnungen durchaus das Resultat einer genauen und eingehenden Betrachtung und brachten stets eine zentrale Eigenschaft zum Ausdruck. Doch die Vielzahl der Bezeichnungen für eine Pflanze machte die Verständigung schwierig. So war im Jahre 1753 der schwedische Botaniker Carl von Linné [1] auf den Gedanken gekommen, den Pflanzen einen eindeutigen Namen zu geben, der überregional verstanden wird, der logisch und wissenschaftlich fundiert ist. Dabei trat allerdings der beschreibende Charakter des Namens allzu oft in Vergessenheit.
Doch wir können über die verschiedenen Namen einer Pflanze zu einer umfassenden Beschreibung gelangen. Betrachten wir ein konkretes Beispiel: den Huflattich (Tussilago farfara), und schauen, wie sich der Name entwickelt hat [2].
Der Huflattich

Für den Huflattich gab es zahlreiche Bezeichnungen, etwa „Hustenwurz“, „Sommerthürle“ oder „Tabaksblatt“. In England nannte man ihn „Son before father“, was die Eigenschaft herausstellt, dass im Frühjahr die Blüte, also der Sohn, vor dem Blatt, also dem Vater, erscheint. Denn meist ist es ja umgekehrt und die Pflanzen zeigen ihre Blätter vor der Blüte.
Der Huflattich ist ein Korbblütler. In einem gelben Blütenkörbchen sind die am Rand wachsenden bis zu dreihundert Zungenblüten weiblich, die zirka vierzig Röhrenblüten in der Mitte männlich. Der Huflattich blüht vom zeitigen Februar bis in den Mai. Deshalb werden die kräftig gelben Blütenkörbe, die an die Sonne erinnern, auch als Sommerthürle bezeichnet, da die Blüten die Tür zur Sonne und damit zum Sommer öffnen.
Schon die alten Römer hatten entdeckt, dass in den Blättern der Pflanze Schleimstoffe enthalten sind, die hustenlösend und reizlindernd wirken. Daher auch der lateinische Name: Tussilago, was so viel wie Hustenkraut, Hustenwurz oder Hustenbraut bedeutet. Noch heute werden die Blätter, die „Folia Farfarae“, als Hustenmittel genutzt.
In der Arzneimittellehre des griechischen Arztes Dioskurides (1. Jahrhundert n. Chr.) [3] finden wir: „Wenn die Blätter von dem Kraut gedörrt und angezündet werden und der Rauch dann in den Hals kommt, soll dadurch der dürre Husten und die Engbrüstigkeit gewendet werden.“ So wurde der Huflattich als „Brandlattich“ oder „Tabakblatt“ zur Hustenbekämpfung eingesetzt. Doch die Blätter des Huflattichs wurden auch ohne Hustenreiz als Tabakersatz geschätzt. Etwa nach dem ersten Weltkrieg, als Tabak Mangelware war.
Doch woher kommt jetzt der Name Huflattich? Er bezieht sich auf die großen Blätter mit ihrer Struktur, die an einen Roßhuf erinnern. Dabei geht die Bezeichnung Lattich auf das lateinische lapaticum zurück, mit dem man ursprünglich verschiedene großblättrige Pflanzen bezeichnete und das sich über laptica und lattica zu Lattich wandelte [4]. Über die Struktur der Blätter schrieb Hieronymus Bock (1498-1554), einer der Väter der Botanik [5]: „Darumb dass die linden Blätter mit ihrem strämlein, Ecken und Äderlein einem Roßhufe ähnlich sind.“

Wirkt die Oberfläche der großen, grünen, strukturierten Huflattichblätter leicht glänzend, so ist die Unterseite mit einem zarten, milchig-weißen Flaum überzogen. Deshalb verwenden sie Vögel gerne als Polsterung in ihren Nestern und Wanderer als Klopapier.
Jetzt prüfen Sie selbst
Haben Sie durch die Beschreibung der Pflanze eine neue Beziehung zu dem Huflattich bekommen? Hat sich durch das Zusammenfügen der Informationen ein klareres und konkreteres Bild entwickelt? Eine Vorstellung, ein Bewusstsein, das über die reine Aneinanderreihung der Buchstaben H-u-f-l-a-t-t-i-c-h hinaus geht? Dann hat der Artikel seinen Zweck erfüllt.
Quellen
[1] Carl von Linné – Wikipedia
[2] Rosemarie Gebauer, Jungfer im Grünen und Tausendgüldenkraut: Vom Zauber alter Pflanzennamen, Transit Verlag, Berlin, 2015
