Schon als Kind übten Jongleure auf mich eine magische Faszination aus. Wie sie Bälle, Keulen oder Ringe durch die Luft werfen, dass es dem Betrachter dabei schwindelig wird, wie sie das vermeintliche Chaos der umherschwirrenden Bälle im Griff haben, ihr Werfen und Fangen einer führenden Ordnung genügt und sie dabei selber eine konzentrierte Ruhe und Ausgeglichenheit ausstrahlen. Das wollte ich schon immer können.
Wie jedes Kind jonglierte ich mit Äpfeln und Apfelsinen, kam dabei aber nicht über das Werfen von zwei Gegenständen hinaus. Ich griff das Interesse auch nicht weiter auf. Das Spiel mit den Freunden und die Schule waren wichtiger. Und später dann beim Studium, im Beruf, „da macht man sowas nicht mehr.“
Aller Anfang ist schwer
Doch im Alter von 44 Jahren packte mich meine kindliche Sehnsucht. Jetzt wollte ich das Jonglieren lernen! So ging ich in einen Spielzeugladen und erstand 3 Jonglierbällen. Zu Hause angekommen, legte ich gleich los. Ich war hochmotiviert und probierte sofort das Jonglieren mit den Bällen. Musste aber schnell einsehen: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Das Jonglieren ist gar nicht so einfach. Die Bälle flogen nicht so, wie ich wollte. Meine Arme ruderten umher, um nach den Bällen zu greifen, doch ich kriegte sie nicht zu packen. Die Bälle plumpsten auf den Boden und rollten im Zimmer umher. Verflixt! So konnte es nicht gehen. Ich hatte kleiner anzufangen. Also versuchte ich mein Glück mit zwei Bällen. Das klappte schon besser. Aber immer noch war ich am Rumrudern mit meinen Armen, immer noch flogen die Bälle unkontrolliert durch die Luft.
Da wurde mir klar: ich kann die Bälle nicht durch meinen Willen auf ihre Bahnen zwingen. Mein forcierter Wille, gut zu jonglieren, steht dem erfolgreichen Jonglieren total im Weg. Der Wille führt zu Verkrampfungen. Ich habe ihn loszulassen. Habe locker zu werden. Das Ganze spielerisch zu sehen, mit einer freudigen Leichtigkeit. Dafür ist erst einmal ein gutes Ballgefühl zu entwickeln, so dass ich die Bälle gezielt werfen kann, dass sie da landen, wo sie sollen. Und dann weiter. Langsam. Mit Bedacht. Schritt für Schritt.
Die Kunst der kleinen Schritte
Also nahm ich einen Ball. Einen Ball werfen und fangen. Den Ball so werfen, dass er fliegt, wie er soll und landet, wo er soll – von der rechten in die linke Hand und wieder zurück in die rechte, mal höher, mal nicht so hoch geworfen, mal in die Hände geklatscht, während der Ball fliegt oder den Ball mit der gleichen Hand gefangen, aus der er geworfen wurde. Es ist erstaunlich, was für Spielchen einem mit einem Ball so einfallen. Und dabei wurde mein Ballgefühl immer besser. Mein Werfen und Fangen wurde immer sicherer. Schließlich flog der Ball so, wie ich es wollte und ich konnte ihn zuverlässig fangen, ohne dabei wild mit den Armen herumzufuhrwerken.
Dann wagte ich mich an zwei Bälle heran. Und auch hier fielen mir zahlreiche Spiele ein. Ich kombinierte die Wurfmuster und die Jonglage wurde immer besser. Der nächste Schritt waren drei Bälle. Doch das klappte anfangs gar nicht. Drei Bälle zu jonglieren ist viel schwieriger als zwei Bälle. Alles, was ich vorher gelernt hatte, schien nutzlos. Immer wieder stand ich fragend da, hielt einen Ball in der Hand fest, fing einen zweiten mit derselben Hand und wusste nichts mehr mit beiden Bällen anzustellen.
Bälle sind zum Werfen da! Sie sind in der Luft zu halten. Habe ich einen Ball gefangen, dann ist er gleich wieder loszuwerfen! Also konzentrierte ich mich auf das Werfen, bis es ganz gut klappte. Allerdings flogen die Bälle noch recht wild durch die Gegend, ich kriegte sie gar nicht richtig zu fassen. Das war der nächste Schritt: drei Bälle kontrolliert werfen, so dass ich sie sicher fangen konnte. Halleluja! War das eine Freude, als die Jonglage mit drei Bällen das erste Mal klappte.
Übung macht den Meister
Doch dann merkte ich, dass ich die Bälle immer so nach vorne werfe und hinter ihnen herlaufe, um sie zu fangen. Also stellte ich mich vor eine Wand und achtete gezielt darauf, dass die Bälle schön gleichmäßig in einer Ebene flogen. So stellte sich eine Ruhe ein. Der Knoten war geplatzt! Sofort fielen mir zahlreiche Wurfmuster ein, die ich einüben konnte. Toll, was sich mit drei Bällen alles anstellen lässt! Mittlerweile jongliere ich ganz passabel – locker, frei, in einem guten Rhythmus, mit einer ruhigen Übersicht. Es macht riesig Spaß. Nur mit dem Lernen neuer Wurfmuster war irgendwann Schluss. Ich will ja nicht im Zirkus auftreten.