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Sag, was ist die Liebe?

Kennen Sie Spejbl und Hurvinek? Das sind zwei Marionetten, Vater und Sohn, des tschechischen Puppenspielers Josef Skurba. Und in ihren Gesprächen bringt Hurvinek, der Sohn, seinen Vater Spejbl durch seine Fragen immer wieder in Erklärungsnot. So auch bei der Frage: Sag, was ist die Liebe? Doch seien wir ehrlich. Das geht nicht nur Spejbl so. Auch wir haben unsere Schwierigkeiten zu sagen, was denn die Liebe eigentlich sei, was sie ausmacht. Ich weiß auch nicht so recht, ob ich die Frage erschöpfend beantworten kann. Doch ich wage mal einen bescheidenen Versuch:

Frühling. Schmetterlinge im Bauch. Ein großartiges Gefühl. Ein intensives, gemeinsames Verstehen, der emotionale Überschwang, die innigliche Verbindung, die Vorstellung, gemeinsam Berge versetzen zu können. Herrlich! Ja das ist Liebe. Doch machen wir uns nichts vor. So großartig, so belebend diese emotionale Wallung ist, so kurz währt sie oftmals. Wie ein Leuchtfeuer flammt sie auf, um rasch zu erlöschen. Dann kommt der Alltag. Und im Alltag, ist da kein Platz für die Liebe? Braucht die Liebe die Ausnahmesituation, mit der wir das Alltägliche hinter uns lassen, ihm entfliehen? Mag sein, dass viele Liebe so verstehen. Ich möchte hier eine andere Art der Liebe vorstellen, eine Art mit der Jedermann im Miteinander seinen Alltag auf seine ganz individuelle Weise bereichern kann.

Doch das Alltägliche, das ist doch so langweilig, so banal. Was soll denn daran interessant sein? Da treffen wir doch nur auf Probleme und Schwierigkeiten. Da werden wir doch auf Schritt und Tritt mit unseren eigenen Unzulänglichkeiten konfrontiert. Nein, das wollen wir nicht. Halt! Stopp! Genau da möchte ich ansetzen. In dem Alltäglichen. In dem vermeintlich Kleinen und Unbedeutenden. Greifen wir genau hier einen Punkt auf, etwas, das uns stört, das wir ändern möchten und bringen das ins Reine. Schöpfen wir im Miteinander für die konkrete Frage bewusst einen kleinen Wert, der das vorliegende Problem behebt – ein aufmunterndes Wort, eine bereitwillige Hilfestellung oder Unterstützung, das Klären einer Frage oder was immer die Situation erfordert. Dabei mag Ihnen das Resultat durchaus klein und unbedeutend erscheinen. Doch Sie haben sich selbst aufgerafft, haben etwas nach Ihrer eigenen Vorstellung, aus eigenen Stücken bewirkt. Und das stärkt Sie. Das gibt Ihnen die Kraft und die Zuversicht, die nächste Aufgabe anzugehen. So richtet der Wert, den wir in der Situation geschaffen haben, uns selbst aus. Weiter richtet der Wert unser Zusammenwirken im Miteinander aus. Er beflügelt uns. Gemeinsam werden Dinge möglich, an die wir, auf uns selbst gestellt, nicht zu denken wagen. Und schließlich bereichert das erzielte Resultat die Situation. So wirkt der geschöpfte Wert befreiend auf drei Ebenen: auf jeden Einzelnen, auf das Miteinander und auf die Situation. Und wir fühlen uns mit allem verbunden. Es entsteht eine umfassende Ordnung, ein tragendes Einheitsgefühl, das die Einzelnen verbindet und erfüllt. Und dieses Einheitsgefühl, diese Verbundenheit, das nenne ich Liebe. Es ist wie das Anzünden eines kleinen Lichtes. Das mag bescheiden wirken im Vergleich zu dem Fanal der emotionalen Liebe. Doch es ist beständig und kontrollierbar. Wenn das Licht entfacht ist und anfängt zu leuchten, spendet es zuverlässig Helligkeit und Wärme.

Auf diese Art Liebe treffen wir in den unterschiedlichsten Situationen. Sei es in Gesprächen, in denen wir im konstruktiven Miteinander eine Lösung entwickeln. Sei es bei einer Hilfeleistung, mit der wir andere Menschen unterstützen. Sei es auf dem Fußballplatz, wenn die Mannschaft wie aus einem Guss zusammenspielt, in einem schönen Spielzug ein Tor erzielt und die Zuschauer jubeln. Sei es in einem Orchester, wenn jeder der Musiker seinen Part beherrscht und im ergänzenden Zusammenspiel das Stück erklingt, so dass der Funke auf das Publikum überspringt.

In all diesen Beispielen schöpfen wir in einer konkreten Situation einen Wert, der eine Ordnung schafft und die Beteiligten in einer Harmonie verbindet. Und dafür brauchen wir nicht in Ausnahmesituationen zu entfliehen. Wir können diese Art Liebe in ganz alltäglichen Situationen selbst entfachen.

Das Bild beschreibt den Zusammenhang:


Drei Personen (kleine Kreise) mit unterschiedlichen Vorstellungen (verschiedene Farben in den kleinen Kreisen) schöpfen im konstruktiven Austausch (sich durchmischende große Kreise um die drei kleinen Kreise) einen spezifischen Wert (Diamant), der die gesamte Situation (großer oranger Kreis) neu ausrichtet und belebt. Durch die Wirkung des für die Situation spezifisch geschöpften Wertes entsteht einen neue, eine verbindende und tragende Ordnung.