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Das Wesen der Transformation

Von Mahatma Gandhi ist das schöne Zitat überliefert:

Wir müssen der Wandel sein,

den wir in der Welt zu sehen wünschen.

Mahatma Gandhi

Schön gesagt Herr Gandhi. Doch es stellt sich direkt die Frage: Wie können wir Menschen selbst der Wandel sein, den wir in der Welt sehen wollen? Denn die Welt, ja die wollen wir ändern! Da sehen wir in allen möglichen Situationen die dringende Notwendigkeit eines Wandels, denken jedoch nur allzu selten daran, uns selbst zu ändern. Dabei schaffen wir erst durch den eigenen Wandel die nötige Voraussetzung, um auch in der Welt Änderungen erfolgreich einführen zu können. Wie das geschieht, das erfahren Sie in diesem Artikel.

Was ist Transformation?

Als Transformation wird ein grundlegender Wandel bezeichnet, bei dem eine Situation neu ausgerichtet und gestaltet wird.

Wir treffen auf Transformationen in der Natur. Zum Beispiel bei einer Raupe, die sich in einen Schmetterling wandelt: Ist die Raupe groß genug geworden, verpuppt sie sich und sammelt ihre Kräfte. Dann lässt sie das Alte, das Raupendasein, hinter sich, lässt sich auf das Neue, das Schmetterlingsdasein, ein und schlüpft aus dem Kokon, um die Flügel zu straffen, auszubreiten und loszufliegen.

Die Wandlung der Raupe in den Schmetterling ist ein komplexer Vorgang. Doch wir treffen auf Transformationen auch in vermeintlich ganz einfachen Systemen. In der folgenden Abbildung ist eine Elektronenbahn des Wasserstoffatoms in starken äußeren Feldern als Funktion der Energie dargestellt [1]:

Zu Anfang beschreibt die Bahn eine einfache Ellipse, die sich im Uhrzeigersinn dreht. Aus dieser Ellipse entsteht eine neue, rosettenförmige Bahn, die aus vielen einzelnen, gegeneinander verdrehten Ellipsen besteht. Verfolgen wir die Bahn weiter, so werden einmal die Ausmaße der einzelnen Rosetten größer, die sich mehr und mehr zum Mittelpunkt hin zentrieren, zum Kern des Atoms. Und zugleich bilden die Rosetten äußere Spitzen aus, so dass sich die Bewegungsrichtung umdreht. Schließlich hat sich die Bewegungsrichtung in all den einzelnen Ellipsen umgedreht. Dann zieht sich die Rosettenbahn wieder zusammen, bis sie wieder in eine Ellipse zusammenfällt, die sich jetzt aber entgegen des Uhrzeigersinns dreht.

Die Rosettenbahn beschreibt in ihrer Energieentwicklung eine Transformation, bei der sich ihre Bewegungsrichtung umdreht – zuerst erfolgt die Bewegung im Urzeigersinn, zu guter Letzt entgegen des Uhrzeigersinns. Dabei wirkt die anfängliche Ellipse wie eine Quelle, aus der immer neue Rosettenbahnen entstehen, während die Ellipse am Ende der Transformation wie ein Sog wirkt, in dem die Rosettenbahnen verschwinden.  

Die Mechanismen der Transformation

Wir haben hier drei Arten der Bewegung zu unterscheiden:

  1. Die schnelle Bewegung in den einzelnen Ellipsen.
  2. Eine übergeordnete, langsamere Bewegung, die die einzelnen Ellipsen miteinander verbindet, so dass sie eine harmonische Rosettenbahn ergeben. Dabei verändert sich die Form der einzelnen Ellipsen in der Rosettenbahn mit der Energie.
  3. Als Resultat haben wir hier einen Veränderungsprozess, in dem sich die anfängliche Ellipse in eine neue Ellipse wandelt, mit umgekehrtem Drehsinn.

Der wesentliche Punkt bei der Transformation ist natürlich die Umkehr des Drehsinns. Das geschieht, indem die Rosettenbahnen sich in ihrem Äußeren zusammenziehen und Spitzen ausbilden, in denen sich die Bewegungsrichtung umkehrt. Das erinnert an die Raupe, die sich zusammenzieht, in einen Kokon verspinnt, um dann zum Schmetterling zu werden.

Schön und gut. So gibt es Transformationen in der Natur. Doch stellt sich die Frage: wie können wir Menschen transformierend wirken? Wie können wir mit unseren eigenen Möglichkeiten einen Wandel herbeiführen?

Wie können wir Menschen transformierend wirken?

Denn machen wir uns nichts vor: wir können die Transformationen, die wir in der Natur antreffen, nicht so direkt auf unser menschliches Verhalten übertragen. Denn jede Raupe folgt ihrem immer gleichen genetischen und instinktiv angelegten Programm, um zu einem Schmetterling zu werden. Und die Teilchenbewegung folgt den physikalischen Gesetzen. So ist bei den Transformationen, die wir in der Natur finden, die Ausgangssituation festgelegt, die Art, wie der Wandel erfolgt, und letztlich auch das Resultat.

Doch in unseren täglichen Situationen können wir nicht auf instinktive Programme oder auf die Lösungen irgendwelcher Bewegungsgleichungen zurückgreifen. Unsere täglichen Situationen sind immer spezifisch. Und somit ist auch das Vorgehen in der Transformation spezifisch sowie auch die Lösung, die es zu entwickeln gilt. Und dabei kennen wir die Lösung im Vorfeld gar nicht. Wir haben sie mit unseren eigenen Möglichkeiten neu zu schöpfen. Wir haben den Wandel selbst zu gestalten. Doch wie soll das funktionieren?

Schauen wir nochmal in die Natur. In den betrachteten Fällen sind es universelle Gesetzmäßigkeiten, die den Wandel herbeiführen. Das Wesentliche wird in den Situationen aufgegriffen und zu einer neuen Lösung gebracht. Und diesen Ansatz können wir auf unsere alltäglichen Situationen übertragen: durch die Ausrichtung nach dem Wesentlichen, nach dem Universellen können wir Menschen einen tiefgreifenden Wandel vollziehen und eine gesamte Situation neu ausrichten.

Die Ausrichtung nach dem Wesentlichen

Dafür haben wir das Wesentliche selbst aufzuspüren. So können wir uns fragen: was ist das Wesentliche in meinem eigenen Leben, das ich aufgreifen und in den täglichen Situationen zu einem Ausdruck bringen möchte? Doch halt! Was soll dieses Wesentliche sein?

Für uns Menschen ist es die Frage nach unseren prägenden Persönlichkeitseigenschaften, nach dem, was uns in unserem inneren Wesen, in unserem Menschsein ausmacht. Dabei sind unsere prägenden Persönlichkeitseigenschaften direkt mit dem Bedürfnis verbunden, diese auch ausleben zu können. Diese Sehnsucht entspringt unserer tiefen inneren Natur, dem was uns als Person wirklich ausmacht.

Doch was sind unsere Persönlichkeitseigenschaften? Ich möchte 9 Grundeigenschaften unterscheiden, die wir auch als elementare Wesenheiten bezeichnen können:

Die Wesen sind universell. Sie bilden die Grundlage alles Lebendigen. So finden wir die Wesen in einer ganz individuellen Ausprägung bei jedem einzelnen Menschen. Doch nicht nur bei den Menschen, sondern auch bei den Tieren, bei den Pflanzen, ja bei allen Lebewesen. (siehe auch: Werde, der Du werden kannst).

Die 3 Fragen

Dabei gibt es bei uns Menschen stets ein dominierendes Wesen, eine prägende Persönlichkeitseigenschaft, die wir in unserem Leben zum Ausdruck bringen wollen: unseren Wesenskern. Um diesen Kern zum Ausdruck zu bringen, können wir uns an drei Fragen orientieren [2]:

  1. Was ist mein Wesenskern?
  2. Wie bringe ich den Kern zu einem Ausdruck?
  3. Was ist meine Grundeigenschaft?

Betrachten wir die Fragen im Einzelnen:

1.     Was ist mein Wesenskern?

Das ist unsere zentrale Persönlichkeitseigenschaft, die wir in unserem Leben zu einem Ausdruck bringen möchten. Der Kern gibt uns einen Sinn im Leben, verleiht uns eine Identität, nach der wir unser ganzes Sein ausrichten können. Und zugleich gibt er uns eine Aufgabe: wir haben den Wesenskern in unserem Leben zu erkennen und zu einem Ausdruck zu bringen. (siehe auch: Was ist mein Wesenskern?)

2.     Wie bringe ich den Kern zu einem Ausdruck?

Um den Kern zu einem Ausdruck zu bringen, brauchen wir unsere anderen Persönlichkeitseigenschaften, die wir entsprechend ausrichten. Das erfolgt anhand von Fragen:

Die angegebene Reihenfolge verbindet die einzelnen Wesen zu einem übergeordneten Veränderungsprozess, um das Wesentliche in einer Situation aufzuspüren und dafür eine Lösung zu entwickeln. Dabei verbindet der letzte Schritt – die Ordnung – die einzelnen Wesen in ihrem Zusammenwirken. Der Prozess ist in den einzelnen Schritten für jede Situation spezifisch auszurichten und zu gestalten. Dafür haben wir die einzelnen Fragen jeweils für die konkrete Situation zu stellen und zu beantworten. (Für eine ausführlichere Darstellung mit einem konkreten Beispiel siehe: Werde, der Du werden kannst.)

3.     Was ist meine Grundeigenschaft?

Unsere Grundeigenschaft bestimmt die Art, wie wir tätig werden, um unsere Fragen zu den einzelnen Wesen zu beantworten. Der eine Mensch macht und tut, der andere betrachtet, einer nächster trifft Entschlüsse, klärt Fragen oder will etwas vermitteln. Und so weiter, ganz nach der individuellen Veranlagung. Auch für die Beantwortung der Fragen gibt es einen führenden Prozess. (siehe: Gute Antworten entwickeln)

Wir können selbst Transformationen herbeiführen!

Anhand der drei Fragen können wir Menschen transformierend wirken. Sie sind vergleichbar mit den 3 Bewegungsarten, die wir bei der Teilchenbahn identifiziert hatten:

  1. Fragen sind die treibende Kraft in dem Veränderungsprozess, die wir mit unseren Grundeigenschaften zu einer Antwort bringen. Sie sind vergleichbar mit der schnellen Bewegung der einzelnen Ellipsen in der Rosettenbahn.
  2. Dabei ändern sich die Fragen und die Art und Weise, wie wir sie beantworten, in den einzelnen Schritten innerhalb des Veränderungsprozesses. Das ist vergleichbar mit der sich ändernden Form in den Rosettenbahnen bei anwachsender Energie.
  3. Und zu guter Letzt haben wir das Resultat, für das wir die gesamte Transformation durchführen. Dann haben wir unseren Wesenskern in der konkreten Situation zu einem Ausdruck gebracht. So verleiht uns der Kern in unserem Handeln einen übergeordneten Sinn und Zweck und richtet das gesamte Vorgehen aus.

Innerhalb des Prozesses richten wir uns nach dem Wesentlichen aus: zuerst ist das Wesentliche in der konkreten Situation klar auf den Punkt zu bringen, um dann eine attraktive Lösung zu schöpfen:

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Dabei haben wir bewusst darauf zu achten, dass wir beim Erledigen der Aufgaben unseren Wesenskern zum Ausdruck bringen und außerdem sollten wir die Warnung von Albert Einstein beherzigen: „Sei kein Fisch, der sein Leben lang versucht, auf einen Baum zu klettern!“

Ein konkretes Beispiel, wie das Vorgehen ins Leben gebracht werden kann, finden Sie hier: Eine Art zu leben.

Fazit

Indem wir unser Handeln in den täglichen Situationen immer bewusster nach unserem Wesenskern ausrichten, entwickeln wir eine immer klarere und selbstsichere Vorstellung von unseren persönlichen Möglichkeiten, und gleichzeitig können wir unsere Aufgaben immer erfolgreicher gestalten. So bringen wir das für uns Wesentliche immer souveräner zum Ausdruck. Dabei wirkt die Ausrichtung nach dem Wesenskern transformierend: einerseits für unsere eigene Persönlichkeit und gleichzeitig, durch unser Handeln, für die Situationen in unserem Umfeld. Beides geht Hand in Hand. Oder in den Worten von Mahatma Gandhi: Durch die bewusste Ausrichtung nach unserem Wesenskern in unseren täglichen Aufgaben, werden wir selbst mehr und mehr zu dem Wandel, den wir in der Welt zu sehen wünschen.

Anmerkungen

[1] Mit diesem Thema hatte ich mich vor über 30 Jahren als Physiker beschäftigt. Allerdings fanden die Resultate damals kein wirkliches Interesse. Jahre später wurde die Sache dann doch aufgegriffen, genauer erforscht und veröffentlicht:

T. Bartsch, S. Gekle, J. Main, T. Uzer
Gluing torus families across a singularity: The lens space for the hydrogen atom in crossed fields
Prog. Theor. Phys. Suppl. 166, 45 – 55 (2007)

[2] Sich im Leben nach 3 Fragen auszurichten scheint modern zu sein. So hat der Psychotherapeut Jorge Bucay dazu ein Buch geschrieben:

Jorge Bucay: 3 Fragen, Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main, 2013.

sowie auch der toltekische Schamane Don Miguel Ruiz:

Don Miguel Ruiz: Die drei Fragen des Lebens, Allegria, Berlin, 2018.

Dabei sind die Fragen jeweils unterschiedlich. Doch das ist nicht der springende Punkt. Beide Autoren betrachten die Fragen selbst als ein Mittel zur Entwicklung der Persönlichkeit. Dagegen sehe ich die Fragen als ein Mittel zur Transformation, das es uns ermöglicht, attraktive Lösungen zu schöpfen und dabei persönlich zu wachsen.