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Die Versöhnung von Xanthippe und Sokrates

Die Ausgangssituation

Xanthippe schüttet das Spülwasser über Sokrates Kopf,
illustriert von Otto van Veen, 1630

Als Sokrates wieder einmal spätabends heimkam, fand er die Haustür verschlossen und rief nach seiner Ehefrau. Xanthippe öffnete die Tür und überhäufte ihn mit endlosen Schimpftiraden. Nachdem Sokrates die Kanonade eine Weile gleichmütig über sich hatte ergehen lassen, schüttete ihm Xanthippe zu guter Letzt noch einen Kübel Spülwasser über den Kopf. Doch Sokrates erwiderte darauf nichts weiter, und während er sich den Kopf abwischte, sagte er nur im Stillen zu sich: „Ich wusste es ja: Nach so einem Donnerschlag musste ein tüchtiger Regenguss kommen.“

Mit dieser unerschütterlichen Haltung konnte Sokrates es mit seiner zänkischen und keifenden Frau aushalten. Auch wenn seine Freunde Mitleid zeigten oder ihm den guten Rat gaben, etwas zu ändern, blieb Sokrates gelassen, ruhig und ausgeglichen, tat gar nichts und beschwichtigte sogar noch. Der athenische Feldherr Alkibiades rief beispielsweise:

„Die keifende Xanthippe ist unausstehlich!“, worauf Sokrates antwortete:

„Auch du lässt dir doch das Geschrei der Gänse gefallen.“

Sokrates‘ Schüler Antisthenes riet ihm:

„Warum erziehst denn nicht auch du deine Xanthippe, sondern lebst mit einer Frau zusammen, die von allen jetzt Lebenden, ja ich glaube auch von allen, die je gelebt haben und je leben werden, die schwierigste ist?“, worauf Sokrates entgegnete:

„Ein rechter Reiter trainiert ja auch nicht auf den allerbravsten, sondern auf schwer zu bändigenden Pferden; entsprechend übe ich mich an meiner Xanthippe. Denn wenn ich das Zusammenleben mit dieser Xanthippe aushalte, werde ich mit allen anderen Menschen leicht auskommen können.“

Gefragt, ob er die Heirat mit der Xanthippe bereue, antwortete Sokrates mit der Empfehlung:

„Heiratet auf jeden Fall! Kriegt ihr eine gute Frau, dann werdet ihr glücklich. Ist es eine schlechte, dann werdet ihr Philosophen, und auch das ist für einen Mann von Nutzen.“

Dabei suchte er allerdings jede Gelegenheit, dem häuslichen Gewitter zu entkommen, indem er sich mit seinen Freunden zu philosophischen Gesprächen traf oder in das Athener Stadtleben eintauchte, über Märkte, Plätze und Sportplätze schlenderte und überall mit den Leuten schwatzte. Er war ein rechter Müßiggänger, und auch das wurmte Xanthippe, die für die Erziehung der Kinder zu sorgen hatte, für den Haushalt, die Einkäufe und dafür, dass etwas Ordentliches zu Essen auf den Tisch kam. Dabei hätte sie wohl gerne die Unterstützung ihres Gatten gehabt, aber der führte stattdessen einen Lebenswandel als Philosoph, ohne einem bürgerlichen Beruf nachzugehen.

Bei seinen Philosophieschülern war Sokrates hoch geschätzt. In Gesprächen konfrontierte er sie immer wieder durch provozierende und durchaus unverschämte Fragen; so zeigte er ihnen die Grenzen und die Unzulänglichkeit ihrer eigenen Vorstellungen und Ansichten, entlarvte ihre Illusionen, um der verborgenen Wahrheit näher zu kommen. Die Schüler mochten seine Methode, wogegen sie dem Athener Senat eher suspekt blieb. Sokrates wurde angeklagt, die Moral der Jugend zu verderben, doch in seiner Verteidigungsrede sprach er zu den Richtern wie zu seinen Schülern. Er deckte nicht nur auf, dass ihre Anklage gegen ihn unzutreffend war, sondern dass ihre Vorstellungen und Meinungen überhaupt unzureichend waren. Natürlich hat niemand es gerne, so öffentlich bloßgestellt zu werden, auch die Athener Richter nicht. Sie verurteilten Sokrates zum Tode, und der leerte mit gelassener Würde den Schierlingsbecher.

Die Versöhnung von Xanthippe und Sokrates:

  1. Die Ausgangssituation
  2. Das Versöhnungsgespräch
  3. Analyse des Versöhnungsgesprächs
  4. Der Gesprächsprozess
  5. Der Aufruf