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Wir Menschen und die künstliche Intelligenz

Die künstliche Intelligenz polarisiert die Gemüter. Die einen erhoffen sich von ihr die Lösung der Probleme zur Gestaltung unserer Zukunft, die anderen sehen in ihr die Gefahr, dass wir Menschen unsere Eigenständigkeit verlieren und zu Sklaven der Technik verkommen. So stellt sich die Frage: Was kann für uns Menschen eine aktive Rolle sein, im Zusammenspiel mit der künstlichen Intelligenz? In diesem Artikel wird eine mögliche Antwort gegeben.

Die Technik ist ein Segen! Sei es das Telefon, die Waschmaschine, das Auto, der Fernseher, der Computer – unser ganzes Leben wird durch die Technik bereichert aber auch bestimmt. Den kühnsten Anspruch erhebt dabei die künstliche Intelligenz. Sie möchte erreichen, dass Maschinen so denken und handeln wie wir Menschen, dass Maschinen das erfüllen, was wir wollen. Darüber hinaus versprechen wir uns von der künstlichen Intelligenz auch passende Antworten auf die großen Fragen und Probleme, vor denen die Menschheit heute mehr oder weniger ratlos steht. Mit dieser Erwartungshaltung wird gegenwärtig die Entwicklung der künstlichen Intelligenz mit einem sehr großen Aufwand vorangetrieben, und nicht zu Letzt erhoffen sich viele von ihr ein lukratives Geschäft.

Wie funktioniert die künstliche Intelligenz?

Vereinfacht können wir sagen: Mit der künstlichen Intelligenz wird eine aktuelle Situation ermittelt und mit den gesammelten Erfahrungen aus der Vergangenheit abgeglichen, die in einer großen Datenbank erfasst und verwaltet werden. Aus den Daten berechnet die künstliche Intelligenz mit ihren Regeln und Algorithmen eine Entscheidung und richtet ihr Handeln danach aus. Dabei machen die Maschinen nicht gleich alles perfekt. Sie haben zu lernen. Dafür sind die erzielten Resultate zu betrachten, zu prüfen und in den Erfahrungen mit zu berücksichtigen. Mit dem Lernen wachsen die Erfahrungen und die erzielten Ergebnisse werden immer besser.

Bereits heute hat die künstliche Intelligenz Einzug in unseren Alltag erhalten. Denken wir etwa an die Programme zur Sprachübersetzung, an die Möglichkeit, aus Gesagtem automatisch einen Text oder ein Programm zu erzeugen, Gespräche zwischen Mensch und Maschine zu führen, an die automatisierte Bildverarbeitung, die Bilder aus Texten generiert und damit eine eigene Realität erschaffen, oder denken wir an das autonome Fahren, bei dem ein Auto uns wie von Geisterhand zu unserem Ziel führt. Die Anwendungen und Einsatzgebiete der künstlichen Intelligenz sind vielfältig und haben einen festen Platz in unserem Alltag erobert. Wir können das Rad nicht mehr zurückdrehen.

Doch neben den Möglichkeiten, die uns die künstliche Intelligenz bietet, beherbergt sie auch viele Gefahren. Vor allem werden die Vorstellungen fließend, was „richtig“ und was „falsch“ ist. So können die Daten fehlerhaft sein und damit zu falschen Entscheidungen führen. Und auch die Algorithmen machen Fehler. Denn auch sie lernen und sind erst einmal nicht perfekt. Darüber hinaus können wir heute bei vielen Anwendungen gar nicht mehr unterscheiden: ist die Information – etwa ein Text oder ein Bild – von einem Menschen oder von einer Maschine erzeugt? Beschreibt sie eine Realität oder eine Fiktion? Ist sie wahr oder falsch? Die Unterscheidung fällt immer schwerer.

Da sind wir Menschen als prüfende Instanz aufgerufen. Doch was ist der Maßstab, der uns eine Orientierung gibt? Häufig vertrauen wir allzu leichtgläubig der Technik und damit fördert die künstliche Intelligenz ganz neue Möglichkeiten der Manipulation und neue kriminelle Geschäftsmodelle. Doch dafür können wir die künstliche Intelligenz nicht verantwortlich machen. Die Verantwortung liegt allein bei uns Menschen, die wir uns auf die künstliche Intelligenz einlassen.

Denn die künstliche Intelligenz hat kein Gewissen, kein Wertebewusstsein. Sie berechnet die Zukunft aufgrund der Daten, der Regeln und Algorithmen. Die Entscheidungen, die sie trifft, müssen deshalb unseren menschlichen und gesellschaftlichen Vorstellungen von Moral und Ethik nicht entsprechen. Und mit der Zeit lernen die Programme immer mehr, sie werden immer schlauer, sie können das, was sie tun, immer besser. Sie entwickeln ein Eigenleben und es droht, dass wir Menschen die Kontrolle über die Technik verlieren. Dann beherrscht sie uns. Wir werden zu Sklaven. Machen uns selbst überflüssig. So stellt sich die Frage:

Welche aktive Rolle verbleibt uns Menschen im Angesicht der künstlichen Intelligenz?

Um die Frage zu beantworten, haben wir herauszustellen, dass die künstliche Intelligenz und wir Menschen völlig unterschiedlich denken:

Die KI braucht die Informationen aus der Vergangenheit, um daraus im Abgleich mit den Daten aus der aktuellen Situation die Zukunft zu bestimmen. Aber was in der Vergangenheit nicht im Ansatz da war, das kann dann auch in der Zukunft nicht zum Ausdruck kommen. Ein Programm zur Spracherkennung erkennt Sprache. Diese Eigenschaft kann es durch die KI immer besser lernen. Doch kann es dann nicht auf einmal autonom ein Auto fahren.

Im Gegensatz dazu sind wir Menschen bedürfnisgetrieben. Wenn wir eine Situation erfassen, dann fragen wir uns: Was wollen wir? Was ist unser Bedürfnis, unsere Sehnsucht? Mit dieser Frage gehen wir in gewisser Hinsicht über das Bestehende hinaus. Wir können in der Situation eine neue Perspektive sehen, etwas, das wir haben wollen, das jedoch noch nicht in die Realität gebracht ist. Und das Bedürfnis inspiriert uns, neue Ideen zu finden, sie zu einer Lösung zu entwickeln und die Situation danach zu gestalten. Die Sehnsucht aktiviert unsere Schöpferkräfte.

So war es zum Beispiel eine uralte Sehnsucht der Menschen, fliegen zu können. Und es hat eine lange Zeit erfordert, bis diese Sehnsucht zur Wirklichkeit wurde. Es brauchte die Idealisten wie Ikarus oder den Schneider von Ulm, es brauchte die Erkenntnisse des Auftriebs, die die Gebrüder Bernoulli formulierten, es brauchte die Pioniere wie Otto Lilienthal und die Gebrüder Wright, und es brauchte den langen Weg des stetigen Verbesserns bis zum heutigen Airbus. Die gesamte Entwicklung ist durch die Sehnsucht nach dem Fliegen getragen. Sie führte zu immer neuen Ideen und weiteren Verbesserungen.

Die Fähigkeit uns nach Bedürfnissen, nach einer Sehnsucht auszurichten, zeichnet uns Menschen aus. Sie eröffnet uns die Möglichkeit, wirklich neue Lösungen für unsere Fragen und Probleme zu schaffen. Dagegen basiert die Künstliche Intelligenz auf dem Bestehenden. Sie verknüpft es und entwickelt es weiter. Das hat natürlich einen hohen Stellenwert, doch wirklich neue Perspektiven und Lösungen können dabei nicht entstehen.

Die Gestaltung der Zukunft liegt in unserer Hand!

So sind wir Menschen aufgerufen, für unsere drängenden Fragen den Weg der Veränderung selbst aktiv zu beschreiten! Dafür haben wir die Gestaltung unserer Zukunft danach auszurichten, was wir wirklich wollen, und nicht nach dem, was technisch möglich ist. Wir haben selbst zu entscheiden, was in einer Situation richtig und was falsch ist. Wir haben selbst zu schauen, dass unsere Lösungen „gut“ sind, dass sie für die Situation angemessen und attraktiv sind und dass sie mit unseren Moralvorstellungen zusammenpassen.

Dafür haben wir Menschen uns zu moralischen Instanzen zu entwickeln. Wir haben herauszufinden, was wir wirklich wollen und weiter haben wir den Weg zu beschreiten, um dieses Ziel zu verwirklichen – zu unserem eigenen Wohl sowie zum Wohle unserer Mitmenschen. Dafür richten wir uns nach universellen Werten aus: Toleranz, Hingabe, Zuverlässigkeit, Empathie, Integrität, Würde und so weiter. Wir greifen diese Werte auf und bilden uns dazu konkrete, klare und wahre Vorstellungen, damit wir sie beim Entwickeln unserer Lösungen angemessen berücksichtigen können.

Die Werte geben uns einen führenden Maßstab, damit wir unsere Ziele im Einklang mit unseren Moralvorstellungen erreichen können. Gleichzeitig schärfen sie unser kritisches Gespür, so dass wir uns gegen die vielfältigen Manipulationen und kriminellen Machenschaften besser behaupten können. Bei dem Vorgehen brauchen wir die Unterstützung der Technik! Doch wir haben bewusst darauf zu achten, dass wir die Technik gezielt für unsere Zwecke einsetzen und wir uns nicht zu ihrem Sklaven machen. Nur dann können Veränderungen zu guten Resultaten führen. Allein wir Menschen tragen dafür die Verantwortung!

Damit wir zu tragfähigen Lösungen kommen, brauchen wir das Gespräch. Im Austausch ergänzen wir uns mit unseren unterschiedlich ausgebildeten Persönlichkeitseigenschaften, Ansichten und Erfahrungen. Gemeinsam identifizieren unsere zentralen Bedürfnisse, schöpfen neue Ideen und konkretisieren sie zu attraktiven Lösungen. Bei dem Vorgehen sind die Guten Gespräche das geeignete Mittel. Sie weisen den Weg, um im kooperativen Miteinander verlässliche Resultate für unsere Fragen und Aufgaben zu erreichen.

Also: Führen wir Gute Gespräche!

Und dabei ist jeder aufgerufen mitzumachen. Jeder an seinem Platz. Jeder nach seinen Möglichkeiten. Doch bitte, fangen wir klein an. Bei uns selbst, in unserem unmittelbaren privaten Umfeld. Indem wir im Kleinen anfangen, konkrete Aufgaben aufgreifen und sie im Miteinander zu attraktiven Lösungen führen, verstärkt sich immer mehr das Vertrauen in unsere Schöpferkräfte, und gleichzeitig entwickelt sich unsere moralische Integrität. Das macht Spaß und gleichzeitig wächst die Zuversicht in unsere eigenen Gestaltungsmöglichkeiten. Dann können wir die Kreise erweitern: in der Familie, mit unseren Freunden, im Verein, mit den Kollegen bei der Arbeit… Schließlich werden wir fähig, die großen gesellschaftlichen Aufgaben und Fragen anzugehen. Rainer Maria Rilke drückte es schön aus:

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
doch versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm
und ich kreise Jahrtausendelang.
Ich weiß noch nicht, bin ich ein Falke ein Sturm
oder ein großer Gesang.

Rainer Maria Rilke