Resonanz ist ein Naturphänomen und bezeichnet eine sich verstärkende Bewegung durch eine äußere Krafteinwirkung [1]. Wir treffen auf Resonanzen in der Physik – etwa bei der Schwingung eines Pendels, das wir wiederholt anstoßen, oder bei den verschiedenen Musikinstrumenten, wenn die Schwingung einer Saite oder Luftsäule in einem Resonanzkörper verstärkt wird, so dass ein Ton entsteht, der den Raum erfüllt.
Doch der Begriff Resonanz hat auch in unserem sozialen Miteinander Einzug erhalten. In diesem Fall verstehen wir unter Resonanz das Entstehen eines gelingenden, eines aufbauenden, sich unterstützenden und harmonischen Zusammenwirkens. [2]
Jetzt haben wir in der Physik eine sehr konkrete Vorstellung davon, was Resonanz ist und wie Resonanz entsteht. Hingegen umgibt den Begriff in sozialen Systemen ein gewisser mystischer Nimbus.
In diesem Artikel greife ich den physikalischen Begriff der Resonanz auf und übertrage ihn auf soziale Systeme. Dabei wird zuerst eine verallgemeinerte Definition für die Resonanz herausgestellt. Ausgehend von der Definition wird ein konkreter Ansatz entwickelt, was Resonanz in unserem menschlichen Miteinander bedeutet, und wie wir resonante Beziehungen gestalten können.
Papa, ich will schaukeln
Betrachten wir ein Beispiel: ein Kind sitzt auf einer Schaukel und sein Papa gibt ihm immer wieder einen Stubbs. So haben wir zwei Bewegungen: zum einen das Schwingen der Schaukel sowie den wiederholenden Stubbs von dem Papa.
Und wie entsteht jetzt Resonanz? Nun, dafür müssen Stubbs und Schwingung gut zusammenwirken. Erfolgt der Stubbs mit der gleichen Frequenz und in gleicher Richtung wie die Schwingung der Schaukel, dann verstärkt sich die Bewegung, das Ausmaß der Schwingung wird größer und wir haben das Phänomen der Resonanz.
Erfolgt der Stubbs jedoch nicht mit der gleichen Frequenz wie die Bewegung der Schaukel, oder wirkt der Schaukelbewegung entgegen, dann passen die beiden Bewegungen nicht recht zusammen, wirken eher gegeneinander als miteinander, sind unharmonisch und es tritt keine Resonanz auf.
Also: Resonanz braucht zwei Arten von Bewegung – eine innere (also hier die Bewegung der Schaukel) und eine äußere (der periodische Stubbs) – die konstruktiv zusammenwirken, so dass sich die innere Bewegung durch die Wirkung der äußeren Bewegung verstärkt.
Wie lässt sich der Resonanzbegriff auf soziale Systeme übertragen?
Dafür haben wir den Begriff noch weiter zu klären und zu abstrahieren. Betrachten wir noch einmal das Beispiel mit der Schaukel. Fragen wir uns: was macht das Schaukeln eigentlich aus? Klar es ist das Hin- und Herschwingen. Wir können sagen: dieses Schwingen ist das Wesentliche des Schaukelns. Und wir können dieses Wesentliche verstärken, wenn wir der Schaukel regelmäßig einen passenden Stubbs von außen geben. Oder anders ausgedrückt:
Resonanz ist die Verstärkung
von etwas Wesentlichem
durch einen äußeren Einfluss.
Somit haben wir eine Definition von Resonanz, die sich auch auf uns Menschen und auf soziale Systeme übertragen lässt.
Doch halt! Was soll das Wesentliche in unserem Leben sein? Es sind unsere Persönlichkeitseigenschaften (siehe auch: Werden, der Du werden kannst). Und dabei haben wir jeweils eine Eigenschaft, die uns als Mensch maßgeblich prägt: der eine kann besonders gut zuhören, der andere kann besonders gut Fragen klären, Entscheidungen herbeiführen, etwas vermitteln, etwas machen und tun…. und so weiter und so fort – ganz nach der individuellen Veranlagung.
Und finden wir jetzt eine passende Aufgabe, die unserer zentralen Persönlichkeitseigenschaft entspricht, sie fordert und zum Ausdruck bringt, dann trifft das einen Nerv in uns und wir werden aktiv. Dann geht uns die Tätigkeit leicht und freudig von der Hand. Dann kommen wir in Resonanz. Es ist wie bei einem Fisch, der sein Wasser gefunden hat, in dem er munter umherschwimmt. Wenn wir jedoch den Fisch bitten, einen Baum hochzuklettern, nun dann gibt es keine Resonanz, sondern nur Mühsal, Leid und Plage. (siehe auch: Sei kein Fisch, der auf einen Baum klettert)
Der Ansatz führt ins Miteinander
Denn das Erledigen einer Aufgabe erfordert das Zusammenwirken der verschiedenen Persönlichkeitseigenschaften. Wir können es vergleichen mit den Symbiosen bei den Tieren. Doch die Symbiosen erfolgen nach festgelegten instinktiven Programmen. Die haben wir Menschen nicht in dem Maße. Stattdessen haben wir unser Bewusstsein, mit dem wir in einer Situation das Miteinander gestalten können. Zentral ist es dabei, mit der Situation und den beteiligten Personen in Beziehung zu treten, um eine passende Antwort auf die Frage zu finden: wie kann ich mich mit meinen eigenen Möglichkeiten in die Situation und in das Miteinander einbringen, um die Aufgabe zu einer passenden Lösung zu bringen? Dabei richtet die gestellte Aufgabe die einzelnen Personen mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften in ihrem Zusammenwirken aus. (Siehe auch: Vielfalt im Einklang). Doch betrachten wir ein konkretes Beispiel:
Resonanz bei der Gartengestaltung
Wie kommen wir beim Gestalten eines Gartens in Resonanz? Nun zuerst haben wir die Gegebenheiten in dem Garten zu betrachten. Wir haben mit dem Garten in Beziehung zu treten und entsprechende Fragen zu stellen: Was haben wir für einen Boden? Wo haben wir sonnige Plätze? Wo ist mehr Schatten? Wie ist das mit dem Wasser? Das sind die wesentlichen, die grundlegenden Aspekte, die für die erfolgreiche Gestaltung des Gartens zu berücksichtigen sind.
Weiter haben wir uns im Miteinander zu fragen: wie wollen wir den Garten gestalten? Meine Frau möchte einen Ziergarten mit einer blühenden Blumenpracht, ich möchte eher einen Naturgarten, der einen Lebensraum für viele Tiere bietet. Da haben wir beide uns zusammenzuraufen. So suchen wir nach Pflanzen, Bäumen und Sträuchern, die einerseits schön blühen und andererseits Tieren einen vielfältigen Lebensraum bieten. Darüber hinaus berücksichtigen wir die äußeren Gegebenheiten: den trockenen, kargen Sennesand, die schattigen und sonnigen Plätze und so weiter.
So treten wir miteinander in einen Austausch und haben gleichzeitig die äußeren Gegebenheiten im Blick. Dann kann Resonanz entstehen. Dann kann das Innere – also hier der Garten – durch das Äußere – also hier durch unsere Gartenarbeit – in eine aufbauende Wechselwirkung treten, so dass es im Garten blüht, wächst und gedeiht. Dabei erfreuen meine Frau und ich uns einerseits an dem Garten, andererseits aber auch an unserem guten Zusammenwirken. Und zu guter Letzt sind wir zufrieden mit uns selbst, wenn wir sehen, wie sich unsere eigenen Vorstellungen von einem Garten verwirklichen.
Wir haben Resonanzen auf drei Ebenen: zuerst für jede einzelne Person, weiter im Miteinander und dann noch für die gesamte Situation. Und kommen jetzt die Resonanzen in diesen drei Ebenen zusammen, dann entsteht ein verbindendes Einheitsgefühl. So passt das eigene Wirken zu den eigenen Vorstellungen, ergänzt, fördert und unterstützt sich im Miteinander und leistet darüber hinaus einen konstruktiven Beitrag zum Gestalten der gesamten Situation. Dann ist die Welt in buchstäblich Ordnung. Es erfüllt uns eine verbindende Harmonie. Und dieses Gefühl nennen wir Liebe. (siehe auch: Über die Kunst des Liebens)
Das „Wie“ und das „Was“
Resonanz tritt in unser Leben, wenn wir uns nach dem Wesentlichen ausrichten und dies gezielt aktiviert wird. Dabei ist es weniger eine Frage des „Was“ wir machen, sondern vielmehr eine Frage, „Wie“ wir etwas machen, wie wir mit der äußeren Situation und den Mitmenschen in Beziehung treten und danach unser Handeln ausrichten. Dann ist es im Grunde auch egal, ob wir einen Ziergarten, einen Nutzgarten oder einen Naturgarten anlegen. Nicht durch die Art des Gartens kommt Resonanz zu Stande, sondern durch die Frage, wie wir den Garten durch unsere Arbeit gestalten.
Doch das „Was“ hat auch seine Grenzen. Richten wir den Garten nämlich nur nach unserem Willen aus – wollen vielleicht im trockenen Sennesand einen englischen Rasen anlegen anstatt einer Wiese mit heimischen Wildblumen – nun dann gibt es keine Resonanz. Dann haben wir die Fläche zu ebnen, den Rollrasen zu legen, ihn zu mähen, zu düngen, das Unkraut auszustechen und immerzu eifrig zu gießen. Wir sind die ganze Zeit beschäftigt. Doch es gibt keine Resonanz. Denn wir zwingen dem Garten unseren eigenen Willen auf, ohne die vorliegenden Gegebenheiten entsprechend zu berücksichtigen.
Resonanz braucht Freiheit
Lassen Sie es mich noch einmal an einem einfachen Beispiel darstellen: einer Stimmgabel. Schlagen wir die Stimmgabel an, lassen sie frei schwingen und halten sie auf einen Tisch, dann überträgt sich die Schwingung auf den Tisch, verstärkt sich und der Ton erfüllt den Raum. Dann haben wir Resonanz. Wollen wir jedoch die Schwingung der Stimmgabel von außen regulieren, ihr unseren Willen aufzwingen, dann ist Schluss mit der Resonanz. Da hilft all unser gutes Bemühen nichts. Die Resonanz tritt nur ein, wenn wir die Stimmgabel frei schwingen lassen und nicht versuchen, sie dabei zu beeinflussen.
Übertragen auf unser Miteinander haben wir die äußeren Rahmenbedingungen zu schaffen, so dass die Vorstellungen der Menschen zu einem freien Ausdruck kommen kann, ohne dabei jedoch die Freiheit der anderen Menschen einzuschränken. Darüber hinaus haben wir die Möglichkeit für einen kooperativen Austausch zu schaffen, bei dem wir im Miteinander in Resonanz kommen können. Dafür braucht es Regeln und Vorschriften. Wesentlich ist dabei ein wertschätzendes Miteinander.
Jetzt stellt sich die Frage: was kommt zuerst?
– die äußeren Regeln für die Gestaltung des Miteinanders oder die Ausrichtung nach dem Wesentlichen. Sicher hat beides Hand in Hand zu gehen. Denn wenn wir uns nur an die äußeren Regeln klammern, dann wird der Austausch leicht förmlich, erstarrt geradezu und unser zentrales Anliegen in der Situation kommt oftmals gar nicht zur Sprache. Wenn wir uns andererseits nur nach dem für uns Wesentlichen in einer Situation ausrichten, setzen wir uns allzu leicht über die Interessen und Möglichkeiten der anderen beteiligten Personen hinweg und wir benutzen sie nur als Mittel für unseren Zweck. Und das führt häufig zu Verstimmungen und Streitereien.
Es braucht eine dynamische Gestaltung des Miteinanders für die jeweils spezifische Situation. Dabei ist die Ausrichtung nach dem Wesentlichen das Ziel, das wir verfolgen und die Gestaltung des konstruktiven Miteinanders der Weg, um dieses Ziel zu erreichen. Für das Vorgehen bietet die Methode der Guten Gespräche einen führenden Prozess, der die erforderliche Orientierung liefert sowie eine inhaltliche Ausrichtung in den einzelnen Prozessschritten. (siehe auch: Was sind gute Gespräche?)
Fazit
Fassen wir zusammen: Um in unserem Leben Resonanz zu erreichen, haben wir uns im konstruktiven Miteinander auf das Wesentliche in einer Situation auszurichten. Das Wesentliche wirkt als äußerer Impuls, der dann, wenn er in uns einen Nerv trifft, weiter aufgegriffen und zu einer konkreten Lösung entwickelt wird, um die Situation neu zu gestalten.
Es ist vergleichbar mit einem Wassertropfen, der auf eine glatte Wasseroberfläche fällt. Dabei entspricht der Tropfen dem gut geformten äußeren Impuls, der dann, wenn er auf die Oberfläche trifft, Wellen verursacht, die sich ausbreiten. Dabei stellen die Wellen die erzeugte Resonanz dar.
Der springende Punkt für das Entstehen von Resonanz im sozialen Miteinander ist, dass wir in den Austausch, in die Beziehung treten – zu den Mitmenschen und der Situation. Dafür bietet die Methode der Guten Gespräche das geeignete Mittel. (siehe auch: Das Buch zum Thema).
Quellen
[1] Resonanz in der Physik: Resonanz – Wikipedia
[2] Resonanz im sozialen Miteinander:
- Das Grundlagenwerk zu dem Thema: Hartmut Rosa, Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung, Suhrkamp Verlag, Berlin, 2016
- Resonanz (Soziologie) – Wikipedia