Xanthippe: Sokrates, kennst Du das auch, dass einem im Kopf die Gedanken nur so herumschwirren. Da kommt man von einem Punkt auf den nächsten. Es findet kein Ende. Die Gedanken entwickeln ein Eigenleben. Als Resultat bin ich dann immer ganz verwirrt, komme nicht zur Ruhe und bin erschöpft.
Sokrates: Ja das kenne ich zu gut. Buddha nannte das den Affengeist, der im Kopf herumturnt und sich von einem Gedanken zu dem nächsten schwingt.
Xanthippe: Das ist ein schönes Bild. Mit den turnenden Affen erfasst uns eine permanente Unruhe. Unablässig schwingen die Gedanken hin und her. Wir fragen uns, was in der Situation los ist, bewerten, urteilen und ordnen die Gedanken in unsere bestehenden geistigen Schubkästen ein, kommen dabei von einem Gedanken zum nächsten, die Gedanken fangen an zu kreisen, wir verfallen ins Grübeln, die Gedanken quälen uns, wir fühlen uns elend.
Sokrates: Dabei versuchen wir mit dem Affengeist unser Bild der Welt in eine Ordnung zu bringen. Nur allzu oft geschieht genau das Gegenteil. Dann schaffen wir mit unserem Affengeist unsere ganz eigene Wirklichkeit, die mit der Realität gar nichts mehr zu tun hat. Dann sehen wir gar nicht mehr das, was wirklich ist. Stattdessen sehe ich nur noch das, was ich in meinem Affengeist denke.
Xanthippe: Dazu fällt mir eine Geschichte ein:
Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, aber nicht den Hammer. Der Nachbar hat einen, das weiß er. Also beschließt er, hinüberzugehen und sich beim Nachbarn dessen Hammer auszuborgen.
Doch während er dies erwägt, kommen ihm Zweifel: Was, wenn ihm der Nachbar den Hammer nicht leihen will?
„Gestern schon grüßte er mich nur flüchtig“, dachte er, „vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan, der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Menschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht’s mir wirklich!“
Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch noch bevor er überhaupt „Guten Tag“ sagen kann, schreit ihn unser Mann an: „Dann behalten Sie Ihren Hammer doch, Sie Rüpel!“
nach Paul Watzlawick: Anleitung zum unglücklich sein.
Sokrates: Ja das kenne ich. An dem Beispiel wird richtig deutlich, wie die Affen im Kopf rumturnen können.
Xanthippe: Doch wie können wir diesen Affengeist überwinden? Wie kriegen wir Ruhe in unser Denken? Wie können wir unser Denken so ausrichten, dass wir durch unsere Gedanken die Situation klären? Dass wir wirklich Antworten auf unsere drängenden Fragen entwickeln, die erhellen, die Licht ins Dunkel bringen?
Sokrates: Dafür haben wir unser Denken gezielt auszurichten. Wir haben unser Denken zu disziplinieren und dadurch unsere Affen zu dressieren, so dass sie konstruktiv zusammenarbeiten.
Xanthippe: Ach, Du bist gut. Wie soll denn das Dressieren funktionieren? Wie sieht das in einer konkreten Situation aus?
Sokrates: Zuerst brauchen wir eine konkrete Frage, für die wir eine Antwort finden wollen.
Xanthippe: Und daran scheitert es schon oft. Mit unserem Affengeist beschäftigen wir uns zwar auch mit Fragen, doch die sind irgendwie unpräzise, unspezifisch und wir beschäftigen uns bereits mit den möglichen Antworten, bevor die Frage tatsächlich auf den Punkt gebracht ist, bevor wir überhaupt genau wissen, wofür wir eine Antwort suchen.
Sokrates: Wenn wir die Ausgangsfrage auf den Punkt gebracht haben, dann erheben wir diese Frage zum Maßstab für die Situation. Alle Gedanken, die uns kommen, prüfen wir, ob und wie sie für eine Antwort berücksichtigt werden können. Und Gedanken, die nichts mit der Frage zu tun haben, verwerfen wir und befassen uns nicht weiter damit.
Xanthippe: Doch zu Anfang schauen wir zuerst einmal die Situation im Lichte der Fragen an, mit einem neugierigen, unvoreingenommenen Interesse. Und erst, wenn wir ein möglichst objektives Bild der Situation entwickelt haben, suchen wir für die Situation die passende Antwort.
Sokrates: Dabei prüfen wir immer wieder, ob unsere Gedanken, ob die Antworten, die wir finden, wirklich zu der Frage passen. Außerdem prüfen wir, ob die Antwort für die Situation realistisch ist, damit wir nicht irgendwelchen Hirngespinsten nachjagen.
Xanthippe: Und zu guter Letzt hat die Antwort noch für uns selbst zu passen.
Sokrates: Ja diese drei Aspekte sind für die Antwort unter einen Hut zu bringen. So eine Antwort liegt nicht auf der Straße. Wir finden sie nicht in den Regalen des Supermarktes.
Xanthippe: Sondern wir haben sie selbst aufzuspüren und weiter zu entwickeln.
Sokrates: Dafür schauen wir, fragen, prüfen, klären, fragen noch einmal, passen an, schauen wieder, prüfen und verbessern. Als Resultat entsteht eine eigene, eine neue Vorstellung, ein inneres Bild von der möglichen Lösung. Und dieses Bild ist immer weiter auszumalen und zu konkretisieren – solange, bis es passt, bis die gesamte Situation durch die entwickelte Antwort neu ausgerichtet erscheint.
Xanthippe: Das erfordert von den beteiligten Personen die Bereitschaft, alte Gewohnheiten in Frage zu stellen, sie anzupassen und mitunter auch, sie ganz hinter sich zu lassen. Es erfordert Mut, einen Schritt vor den eigenen, selbstgezimmerten Käfig zu wagen, mit all den vertrauten Überzeugungen und Ansichten.
Sokrates: Auf dem Weg treffen wir auf unsere Ängste und auf unsere Kritiker. Doch wir fragen uns immer wieder: Was passt für die Situation? Was ist angemessen? Wie können wir den Ängsten und den Kritikern begegnen? Ihre Einwände behutsam aufgreifen? Sie entkräften? Sie in einer konstruktiven Weise in dem Lösungsbild mit berücksichtigen?
Xanthippe: So wird die Vorstellung von der Antwort immer lebendiger, immer farbiger und konkreter. Es entsteht eine Substanz. Wir schaffen etwas Neues. Etwas, das vorher nicht da war. Als Resultat entwickeln wir eine gute, eine spezifische Lösung für die gestellte Frage. Wir geben uns selbst die passende Antwort.
Sokrates: In gewisser Hinsicht packen wir uns selbst beim Schopf und ziehen uns aus dem Sumpf.
Xanthippe: Dabei zeigen unsere Ängste und Kritiker uns auf, wo die Antwort noch nicht passt, wo wir noch etwas zu verbessern haben.
Sokrates: Genau. Wir haben uns mit unseren Ängsten und Kritikern zu verbünden! Sie sind unsere besten Kumpel. Sie zeigen uns, wo wir uns selbst im Weg stehen, wo wir innere Grenzen und Blockaden haben, die zu überwinden sind, damit wir unsere Antwort noch verbessern können.
Xanthippe: Und haben wir eine klare Antwort gefunden, dann tritt Ruhe ein.
Sokrates: Auf dem Weg zur Antwort haben wir unseren Affengeist gezähmt. Ausgerüstet mit dieser Einstellung, können wir frohen Mutes die nächste Frage aufgreifen und die Affen weiter dressieren.