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Die Versöhnung von Xanthippe und Sokrates / 3

Die Analyse des Versöhnungsgesprächs

Unsere Gespräche lassen sich durch gezieltes Fragen anregen, aktivieren und strukturieren. Fragen fordern uns dazu auf, Ideen zu entwickeln und Lösungen zu finden, also nach Antworten auf diese Fragen zu suchen. Gute Gespräche sind nach folgenden Fragen ausgerichtet:

  1. Die Frage „Was ist die Absicht/der Wunsch?“ fördert das Motiv des Gesprächs zu Tage.
  2. Die Frage „Wo drückt der Schuh?“ ermittelt den konkreten Bedarf in der Situation.
  3. Die Frage „Wie lösen wir das Dilemma?“ führt zu Ideen, wie der Bedarf befriedigt werden kann.
  4. Die Frage „Wie lässt sich die Idee verwirklichen?“ liefert immer konkreter detailliertere Ideen, bis eine tragfähige und umsetzbare Lösung entwickelt ist.
  5. Die Frage „Wie setzen wir die Lösung praktisch um?“ führt zu Ziel-Formulierungen, wie die Situation neu zu gestalten ist.

Schauen wir uns die einzelnen Fragen einmal am Beispiel des Versöhnungsgesprächs zwischen Xanthippe und Sokrates an:

  • Was ist das Motiv für das Gespräch?

Zu allererst wird der Kontakt, eine Beziehung zwischen den Beteiligten hergestellt, als Grundlage für das gute Gespräch. Dabei wird, von den Vorstellungen der beteiligten Gesprächspartner ausgehend, ein gemeinsames Thema für das Gespräch abgestimmt und die konkrete Absicht oder der Wunsch benannt – der Motiv-Gedanke.

Xanthippe und Sokrates haben sich lange nicht gesehen und gehen zunächst mit Neugierde und Interesse aufeinander zu. Jeder der beiden möchte wissen, wie es dem anderen geht. Xanthippe fragt, ob sie zusammen einen Kaffee trinken wollen und Sokrates willigt ein. Auf diese Weise stellen sie den Kontakt/die Beziehung her. Im weiteren Verlauf gestehen sie sich ein, darüber nachgedacht zu haben, sich zu versöhnen. Darin kommt der Motiv-Gedanke zum Vorschein.

  • Wo drückt der Schuh?

Mit dem gemeinsamen Motiv-Gedanken ausgestattet, wird nun die aktuelle Situation betrachtet und der Bedarf in der Situation ermittelt. Das könnte beispielsweise sein, einen Mangel zu beheben, einer Sehnsucht zu folgen, ein Problem zu lösen, eine Entscheidung zu treffen, eine Frage zu beantworten, und so weiter. Jede Situation enthält einen ganz spezifischen Bedarf, der für alle Beteiligten den verbindenden Bedarf in der Situation als Basis-Gedanken bildet.

Xanthippe und Sokrates freuen sich über die Gelegenheit, ihre belastete Beziehung zu bereinigen und sich zu versöhnen. Aber sofort holt sie die Vergangenheit wieder ein, mit all den Schwierigkeiten und Problemen. Das ist die aktuelle Situation, und das Paar empfindet beiderseitig die tiefe Sehnsucht, sich darüber auszutauschen und für sich eine gemeinsame Ausrichtung zu finden – ein Ziel, hinter das sie sich beide stellen können. Dieser Bedarf verbindet ihrer beider Bemühen in dem Gespräch.

  • Wie lösen wir das Dilemma?

Ist der Bedarf identifiziert, so stellt sich die Frage, wie dieser Bedarf zu einer Lösung gebracht werden kann. Diese Frage aktiviert die Fantasie, wir finden Ideen, die zu lebhaften Vorstellungsbildern weiterentwickelt werden. Die Ideen sind jeweils zu bewerten und dahingehend zu prüfen, ob sie realisierbar sind. Letztlich ist eine Entscheidung herbeizuführen, welche der Ideen aufgegriffen werden, um sie zu verwirklichen, sie in die Realität zu bringen.

Für Xanthippe zählen die praktischen Dinge im täglichen Leben, Sokrates hingegen legt großen Wert auf das Geistige. Damit haben sie ihre jeweilige Lage geklärt, und sie wenden sich nun der Frage zu, was sich konkret verändert sollte. Sie sind sich darin einig, die Kluft überwinden zu wollen und beide Perspektiven im gemeinsamen Alltag zusammenzubringen. Sie formulieren die Idee, dass sich die praktischen und geistigen Dinge des Lebens – als zueinander passend und einander ergänzend – kombinieren lassen müssten.

  • Wie lässt sich die Idee verwirklichen?

Um die Idee verwirklichen zu können, muss sie zuvor konkretisiert werden. Wir entwickeln eine klare, detaillierte Vorstellung, wie die Idee die Situation neu ausrichten kann. Dafür werden immer konkretere Detailfragen gestellt, die zu Antworten führen, bis wir schließlich eine tragfähige Lösung für die Neuausrichtung der Situation entwickelt haben.

Xanthippe und Sokrates haben die Idee, eine Methode der guten Gesprächsführung zu entwickeln, und machen es sich zur Aufgabe, diese Methode so zu präzisieren, dass diese im Alltag angewandt und weitervermittelt werden kann.

  • Wie setzen wir die Lösung praktisch um?

Sind wir über geeignete Lösungsvorschläge zu einem Resultat gekommen, bleibt nur noch die Frage offen, wie das Ergebnis praktisch umzusetzen ist. Jetzt geht es darum, die aktuelle Situation gemäß der Lösungsidee neu zu gestalten. Hier kommen realistische Ziele ins Spiel, die uns ganz praktisch und Schritt für Schritt voranbringen.

Xanthippe und Sokrates sind beglückt, eine Aufgabe gefunden zu haben, die sie nicht nur gemeinsam erfüllen wollen, sondern die obendrein noch sinnvoll ist für andere. Als sie beginnen, die Dinge von der praktischen Seite zu betrachten, stellen sie fest, dass es am besten wäre, in mehreren Etappen vorzugehen. Sie nehmen sich als Erstes vor, ihre Erkenntnisse an sich selbst zu erproben. Wenn sich die Anwendung bewährt, wollen sie das Resultat ihrer Forschung in einem weiteren Schritt für die Menschen verfügbar machen, und zwar im Rahmen der Anwendung in sukzessive erweiterten Kreisen: Freunde, Bekannte, dann unbekannte Menschen.

Gute Gespräche lassen sich demnach vor allem mit dem Werkzeug ‚gezielte Fragen‘ erfolgreich führen, denn diese laden immer aktuelle, eigene, kreative und neue Gedanken ein. Das Motiv und der Bedarf bilden die stabile Verbindung zwischen den Gesprächspartnern, während die Ideen dem Gespräch eine Richtung geben und weiter zu konkreten Zielen für die Umsetzung führen. Die Struktur der Gedanken prägt den schöpferischen Prozess und führt letztlich zum Resultat und zur Umsetzung, das heißt zur praktischen Veränderung der Ausgangssituation. Im Ergebnis haben wir eine neue Ordnung für alle Beteiligten geschaffen!

Die Versöhnung von Xanthippe und Sokrates:

  1. Die Ausgangssituation
  2. Das Versöhnungsgespräch
  3. Analyse des Versöhnungsgesprächs
  4. Der Gesprächsprozess
  5. Der Aufruf