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Orientierung <=> Wesentlich

Um sich in einer Situation eine Orientierung zu verschaffen, ist sie einerseits genau wahrzunehmen mit all unseren Sinnen. Dafür fragen wir mit Interesse „Was“, „Wie“, „Wo“, „Wann“ und verschaffen uns mit den Antworten eine immer umfassendere Sicht der Lage. Andererseits erfordert das Schaffen einer Orientierung eine Ausrichtung. Es braucht die Unterscheidung zwischen dem, was in der Situation wichtig ist und was unwichtig ist. Erst das Priorisieren der wahrgenommenen Informationen schafft uns eine Orientierung in der Situation. Doch das Wahrnehmen und das Ausrichten bilden Polaritäten. Denn das genaue Erfassen, das Einfühlen und Wahrnehmen hat erst einmal gar nicht mit einem Bewerten zu tun. Das Priorisieren, das Ausrichten, das Definieren von Zielen, steht dem genauen Wahrnehmen in gewisser Hinsicht sogar im Weg. Ein Mensch, der genau wahrnimmt, beobachtet, erfasst, empfindet, der stellt sich gar nicht die Frage nach der Ausrichtung. Ebenso der ausrichtende Mensch. Der Planer möchte Ziele definieren, Wichtiges von Unwichtigem trennen, priorisieren, klären wo es lang geht, und dabei ist ihm das genaue Erfassen einer Situation, das Beobachten oftmals lästig.

Doch andererseits bedingen sich die beiden Eigenschaften: für eine sichere Ausrichtung braucht es das genaue Erfassen der aktuellen Situation, und um eine Situation zu erfassen, brauchen wir eine Unterscheidung zwischen dem was wichtig ist und dem was unwichtig ist, denn sonst verlieren wir uns allzu leicht in der Situation. So spielen die beiden Pole Hand in Hand.

Doch wie bringen wir die beiden Pole zusammen, so dass sie sich unterstützen anstatt sich zu behindern? Jetzt könnten wir uns etwa die Frage stellen: „Wie schaffen wir eine Orientierung in der Situation?“ Das macht der Beobachter auf seine Art und der Planer auf seine Art. Beide sind davon überzeugt, den richtigen Ansatz zu haben. Doch so kommen die Pole nicht wirklich zusammen. Ganz im Gegenteil, sie verstärken sich sogar. Wir brauchen eine übergeordnete Ausrichtung, um die Eigenschaften der Beteiligten miteinander zu verbinden. Dafür richten wir uns nach dem seelischen Gegenpol aus! Und für das Schaffen einer Orientierung ist der Gegenpol das Wesentliche.

Schauen wir uns den Bedarf „Wesentlich“ genauer an, dann haben wir wieder zwei Pole. Denn auf der einen Seite ist die Situation zu hinterfragen, zu ergründen. Wir nehmen das Gegebene nicht einfach so hin, sondern fragen uns: warum ist das so, wie es ist? Auf der anderen Seite wollen wir klar auf den Punkt bringen, was das Wesentliche ausmacht. Wir wollen das Wesentliche in der Situation sehen, wie es sich äußert, wie es die Situation prägt. Und auch dies sind wieder zwei Pole. Das Hinterfragen und Ergründen ist mit einer Aktivität verbunden, wie ein Dachs, der die Erde durchpflügt bei seiner Suche nach Fressbarem. Das auf den Punkt bringen hingegen ist ein Schauen, wie bei einem Uhu, der die Situation klar erfasst bevor er zur Jagd startet.

Und wie kriegen wir die beiden Pole – die Orientierung und das Wesentliche – jetzt zusammen? Wie können wir sie überwinden. Dafür brauchen wir zuerst einmal die übergeordnete Frage, eine Frage die die beiden Bedarfe miteinander verbindet. Also hier zum Beispiel: „Wo drückt der Schuh?“.

Und die Beantwortung der Frage erfolgt in einem zyklischen Prozess, in dem die unterschiedlichen Persönlichkeitseigenschaften konstruktiv zusammenwirken:

  1. Zuerst wird die Situation erfasst, indem wir sie neugierig und mit unvoreingenommenem Interesse wahrnehmen, die Fragen Was, Wie, Wo, Wann stellen.
  2. Im nächsten Schritt wird das Beobachtete hinterfragt mit den Fragen Warum, Wieso, Weshalb.
  3. Die Ergebnisse werden zusammengetragen, priorisiert, ausgerichtet
  4. und schließlich auf den Punkt gebracht.

Dabei ist das Ziel des Vorgehens, eine klare Antwort auf die Frage: Wo drückt der Schuh? zu entwickeln, die den zentralen Bedarf in der Situation treffend auf den Punkt bringt. Dabei treten immer wieder neue Aspekte und Fragen auf, die in der Situation genauer zu betrachten sind. So wird der Zyklus solange durchlaufen, bis alle wesentlichen Fragen geklärt sind, bis die Antwort für alle Beteiligte passt, bis der Bedarf klar auf den Punkt gebracht ist.

Bei dem Vorgehen werden die unterschiedlichen Vorstellungen und Einstellungen mit eingebracht und für die Beantwortung der übergeordneten Frage ausgerichtet. Die Voraussetzung bei dem Vorgehen ist, dass den Beteiligten die Beantwortung der Frage wichtiger ist, als ihre eigenen Vorstellungen durchzubringen. Der Prozess wird als eine Art Rollenspiel durchgeführt, indem die Beteiligten nacheinander in die jeweiligen Rollen schlüpfen. Dabei werden die unterschiedlichen Eigenschaften und Fähigkeiten zusammengebracht und in einer konstruktiven Art für die Beantwortung der Frage ausgerichtet.