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Reden wir über das Wetter!

Das Wetter selbst interessiert Sie womöglich gar nicht; Sie sind ja kein Meteorologe. Doch wenn Sie am nächsten Wochenende eine Bergtour planen, wird das Wetter für Sie wichtig. Und warum wollen Sie eine Bergtour planen? Weil Sie mit guten Freunden mal wieder etwas unternehmen wollen. Es kann natürlich auch eine Radwanderung sein oder ein Grillabend. Nicht das, was gemacht wird, steht im Vordergrund, sondern der Wunsch, sich zu treffen und gemeinsam etwas zu unternehmen. Das ist Ihr Wunsch, Ihre Sehnsucht, klar auf den Punkt gebracht: Sie wollen mit Ihren Freunden zusammen etwas unternehmen. Dabei spielt das Wetter zwar eine gewisse Rolle, aber das Wetter ist nicht gesprächsfüllendes Thema. Auch überlegen Sie gemeinsam, was Sie sich vornehmen und wie Sie das Treffen gestalten wollen; Ihnen fallen sofort ein paar tolle Ideen ein. Letztlich aber ist die Freude darüber, dass Sie sich überhaupt verabredet haben, die wesentlichste Antwort auf Ihren konkret formulierten Wunsch.

Bevor es jedoch so weit ist, dass Sie gemeinsam planen, werden Sie sich vergewissern, dass auch Ihre Freunde den Wunsch haben, mit Ihnen gemeinsam etwas zu unternehmen. Nur dieser von allen geteilte Wunsch bildet die verbindende Basis. Der beiderseitig formulierte Wunsch, gemeinsam etwas zu unternehmen, wird zur leitenden Idee in der Gesprächsführung. Diese Idee hilft Ihnen dabei, die möglichen Varianten und Vorschläge bestmöglich zu prüfen und gegeneinander abzuwägen.

Im Hinblick auf eine gemeinsame Bergtour bedeutet es vielleicht, dass der eine ein Gipfelstürmer ist, jemand anderes lieber nur leichtere Strecken geht und ein Dritter Wert auf ein gutes Picknick zwischendurch legt. Ihnen wiederum ist es wichtig, auf einem möglichst schönen Naturpfad zu wandern, der abseits der überlaufenen Wanderrouten liegt. Sie möchten sich Zeit lassen, um die Blumen am Wegesrand zu beobachten und Kräuter zu sammeln. Es gilt, alle Einzelinteressen zusammenzubringen, und dafür hat jeder Zugeständnisse zu machen. Die Gruppe wird wahrscheinlich davon absehen, den Olymp zu besteigen, aber beschließen, dass es trotzdem ein Gipfelerlebnis geben soll, auf einem kleineren Berg, der für alle gut begehbar ist.

Sie und Ihre Freunde werden zu diesen Zugeständnissen bereit sein, da Ihnen in der konkreten Situation eine Lösung für Ihr gemeinsames Vorhaben wichtiger ist als die individuellen Vorlieben. Diese Priorität hilft auch dabei, dass keinem ein Zacken aus der Krone bricht, wenn eine Anpassung der Wünsche erforderlich ist. Alle ziehen an einem Strang, und jeder bringt bei der Planung seine ganz individuellen Möglichkeiten und Interessen mit ein. So wird das Resultat vielfältig und abwechslungsreich – viel schöner, als wenn nur einer seinen Willen durchsetzt und alle anderen mehr oder weniger zähneknirschend folgen.

Dabei ist bewusst darauf zu achten, dass die Beiträge der Beteiligten gut abgestimmt in einem gemeinsamen Resultat zusammenfinden. Während jeder sich selbst frei äußert, wird auch die Freiheit der anderen nicht nur respektiert, sondern bewusst ins Spiel gebracht. Der Prozess ist getragen von einer kooperativen Grundhaltung und geprägt von gegenseitiger Offenheit, Wertschätzung und Vertrauen. Nicht, es allen recht zu machen, ist das Ziel – sondern alle Anregungen aufzugreifen und darüber bewusst gemeinsam zu entscheiden, ob und wie sie sich in das Gesamtbild einfügen lassen. Das bedeutet unter Umständen auch, dass einzelne Vorschläge verworfen werden müssen, wenn diese sich als nicht passend herausstellen, etwa, wie im Falle des Gipfelstürmers, weil sie zu extrem für die anderen sind.

Der Maßstab für diese kreativen Entscheidungen ist die gemeinsame Sehnsucht in der jeweiligen Situation. Sie bildet die Basis, aus der die Lösung entwickelt wird. Das Vorgehen erinnert an eine Art Puzzle: Die einzelnen Ideen und Vorschläge werden wie Puzzleteile betrachtet und dahingehend geprüft, ob und inwiefern sie sich mit den anderen Vorstellungen in Übereinkunft bringen lassen. Die Akzeptanz des Resultats hängt dann ganz entscheidend davon ab, wie tragfähig im Vorfeld das gemeinsame zentrale Anliegen ermittelt wurde, das heißt, wie ernst es allen damit war.

Wenn Sie eine gut planbare Lösung gefunden haben, ist es auch sehr wahrscheinlich, dass auch Vertrauen entsteht. Die Erfahrung, dass die gemeinsame Basis zu einer guten Lösung führt und dass sich die Idee tatsächlich verwirklichen lässt, stärkt die Zuversicht, dass Sie und Ihre Freunde die Situation für sich stimmig ausrichten und tragen können. Sie erleben ganz konkret, dass die Realisierung der gemeinsamen Idee im Bereich Ihrer eigenen Möglichkeiten liegt. Für die konkrete Ausgangssituation haben alle zusammen durch ihre Beiträge eine Lösung geschaffen, die alle Beteiligten in ihrem Handeln ausrichtet und die Situation entsprechend neu gestaltet. Als Resultat entsteht eine neue, spezifische Ordnung.

Situationen neu gestalten

Dieser Prozess erinnert an die Verwandlung einer Raupe in einen Schmetterling: Ist die Raupe groß genug geworden, verpuppt sie sich und sammelt ihre Kräfte. Sie lässt das Alte hinter sich, lässt sich auf das Neue, das Schmetterlingsdasein, ein und schlüpft aus dem Kokon, um die Flügel zu straffen, auszubreiten und loszufliegen. Jede Raupe folgt ihrem immer gleichen genetischen und instinktiv angelegten Programm, um zu einem Schmetterling zu werden.

Doch der Vergleich mit dem Schmetterling lässt sich nicht direkt einfach so auf die Gesprächssituationen übertragen. Denn Gespräche sind immer spezifisch. So müssen wir in Gesprächen für jede konkrete Situation eine spezifische Lösung entwickeln. Wir sind aufgefordert, selbst aktiv und vor allem kreativ zu werden, selbst zu Gestaltern der Situationen zu werden und unsere Schöpferkraft zu aktivieren – sie ist es, die uns als Menschen auszeichnet und gewissermaßen über die Natur erhebt.

Denn wir Menschen können über unsere Sinneswahrnehmungen Situationen umfänglich erfassen, wir sind in der Lage, unsere gemeinsamen Sehnsüchte herauszufinden, passende Ideen zu deren Realisierung zu finden und diese zu tragfähigen Lösungen zu konkretisieren. Schließlich sind wir fähig, die Situationen entsprechend dieser Lösung aktiv neu auszurichten und zu gestalten.

Betrachten wir noch einmal das Beispiel mit der Bergtour: Zu Anfang reden wir über das Wetter, merken jedoch bald, dass das nicht wirklich wichtig ist und identifizieren unsere verbindende Sehnsucht: Wir wollen mit unseren alten Freunden mal wieder etwas unternehmen. Wir finden Ideen, was das sein könnte und einigen uns auf eine Bergtour. Weiter wird der Ausflug konkretisiert. Wir planen wann, wo und wie die Bergtour stattfinden soll und setzen dann die Planung in die Tat um. Oder anders ausgedrückt: Im Miteinander entwickeln wir kreativ eine konkrete Vorstellung, was wir mit unseren Freunden unternehmen wollen.

Diese Vorstellung stellt einen verbindenden Wert dar, der von allen Teilnehmern als attraktiv angesehen und getragen wird, der ihr Denken, Fühlen und Handeln ausrichtet, der die gesamte Situation prägt, der eine neue Ordnung schafft. So werden wir selbst zu Schöpfern. Wir greifen die aktuellen Gegebenheiten auf und gestalten diese mit unseren eigenen Vorstellungen und Kräften neu. Gute Gespräche sind dabei das Werkzeug, mit dem wir diesen Veränderungsprozess im Miteinander erfolgreich herbeiführen und vollziehen können.

Gute Gespräche haben eine verändernde Kraft – sie wirken belebend, befreiend und aufbauend für alle Teilnehmer, denn sie setzen die kreativen Kräfte in uns frei, stärken unsere Eigenständigkeit und lassen uns alte hinderliche Schubladengrenzen überwinden. Kurz gesagt: Gute Gespräche sind eine Freude für alle Beteiligte!